Die Straße der Romanik in Sachsen-Anhalt besteht seit mehr als 30 Jahren. Auf der Südroute der Tourismusstraße begebe ich mich auf eine Entdeckungsreise ins deutsche Mittelalter. Kaiser Otto I., dessen Todestag sich 2023 zum 1050. Mal jährte, ist untrennbar verbunden mit der Romanik in Sachsen-Anhalt. Die Reise führt von der Saale-Unstrut-Region durch den Harz zur UNESCO-Welterbe-Stätte Quedlinburg. Hier kommen 7 Highlights an der Straße der Romanik – in chronologischer Reihenfolge.
Inhalt
Sehenswürdigkeiten an der Straße der Romanik
Auf einem mehr als 1000 Kilometer langen Rundkurs führt die Straße der Romanik durch Sachsen-Anhalt. In Form einer 8 mit der Landeshauptstadt Magdeburg in der Mitte verbindet die beliebte Tourismusroute 88 ausgewählte Bauwerke aus der Epoche der Romanik miteinander.
Wie auf einer Perlenkette aufgereiht präsentieren sich Klöster und Dome, Schatzkammern, Dorfkirchen, Burgen und Schlösser. Sie alle sind Zeitzeugen einer wegweisenden Epoche deutscher und europäischer Geschichte im Mittelalter.
Zwischen 950 und 1250 entwickelte sich die Region des heutigen Sachsen-Anhalts unter der Herrschaft der Ottonen zu einem politischen und kulturellen Zentrum Europas. Bauwerke aus dieser Blütezeit sind in großer Zahl erhalten geblieben. Besonders Quedlinburg, Merseburg und Memleben lassen die Ottonenzeit wieder lebendig werden.
Das romanische Dreieck bei Halle
Meine Reise beginnt in Halle (Saale). Im Umland von Halle erkunde ich das sogenannte Romanische Dreieck, bestehend aus der Oberburg der sagenumwobenen Burganlage Giebichenstein, der Doppelkapelle St. Crucis in Landsberg und der Augustiner-Stiftskirche St. Peter auf dem Petersberg.
#1: Oberburg der Burg Giebichenstein in Halle
Die Oberburg Giebichenstein thront auf einem großen Felsen hoch über der Saale. Insbesondere vom Saaleufer in Halle-Kröllwitz aus gesehen bietet die Ruine einen imposanten Anblick. Die dicken Mauern des Palas, der mindestens fünf Räume umfasste, der romanische Eckturm – zugleich Torturm der Oberburg – und die Reste eines Wohnturmes mit einem Kamin im Erdgeschoss zählen zu den letzten Zeugen einer mächtigen Burganlage. Einst bestand die Burg Giebichenstein aus Oberburg, Unterburg und Alter Burg. Den Torturm kann man übrigens besteigen und eine grandiose Aussicht genießen.
Kaiser Otto I. übereignete den Giebichenstein im Jahr 961 dem Magdeburger Moritzkloster. Dies war zugleich die erste urkundliche Erwähnung der Burg. Später sollen die Burg und die wildromantische Umgebung des Burgbergs Dichter wie Joseph von Eichendorff und Achim von Arnim inspiriert haben.
Um den Giebichenstein rankt sich auch die Sage von Graf Ludwig von Schauenburg, der später Ludwig der Springer genannt wurde. Demzufolge ist der Adlige vom Turm der Burg in die Saale gesprungen, um der Gefangenschaft auf der Burg zu entgehen.
#2: Doppelkapelle St. Crucis in Landsberg
Die Doppelkapelle St. Crucis ist der letzte Zeuge der herrschaftlichen Geschichte Landsbergs. Das bemerkenswerte Kleinod sakraler Baukunst ist im 12. Jahrhundert aus der dreischiffigen Stiftskirche der Burg Landsberg entstanden. Die Doppelkapelle mit den mystischen Abmessungen von 13 mal 13 mal 13 Metern gilt als Meisterwerk mittelalterlicher Architektur. Zwei übereinander liegende sakrale Räume sind akustisch durch einen Raumschacht miteinander verbunden.
Das dritte Geschoss des Gebäudes verdeutlicht ebenso wie die schweren Türen und weitere raffinierte Details, dass das Gotteshaus nicht nur zum Beten genutzt wurde. Es scheint in unruhigen Zeiten auch als gut gesicherter Zufluchtsort und zur Abwehr von Feinden gedient zu haben.
Um eine rote Marmorsäule links neben dem beeindruckenden geschnitzten Alter rankt sich eine Legende: Sie soll in der Nacht von Karfreitag auf Ostersamstag Blut und Wasser schwitzen. Wissenschaftler können das Phänomen der schwitzenden Säule jedoch physikalisch erklären.
#3: Augustiner-Stiftskirche St. Petrus – Kloster Petersberg
Die dreischiffige, kreuzförmige Augustiner-Stiftskirche St. Petrus hat bei mir einen besonders bleibenden Eindruck hinterlassen. Da ist zum einen die exponierte Lage auf einem 120 Meter hohen Felsen. Dieser soll die höchste Erhebung auf diesem Breitengrad bis zum Ural sein. Zum anderen ist das Kloster Petersberg ein lebendes Kloster. Seit 1999 existiert wieder geistliches Leben an diesem historischen Ort. Heute leben auf dem Petersberg zwei Brüder und vier Schwestern in klösterlicher Gemeinschaft. Sie gehören der Kommunität Christusbrüderschaft Selbitz an.
Schwester Susanne und Bruder Johannes empfangen unsere kleine Reisegruppe mit warmen Getränken und Kuchen – einer Wohltat an diesem windigen Tag. Dann gehen wir gemeinsam in die romanische Basilika. Die Stiftskirche St. Petrus wurde 1184 fertiggestellt.
Bruder Johannes erzählt, dass einer der Erbauer, Konrad von Wettin, die letzten drei Monate seines Lebens im Kloster Petersberg betend verbrachte und sich so auf das Leben im Jenseits vorbereitete. Nach seinem Tod wurde der Graf in der Mitte der noch unfertigen Stiftskirche bestattet.
Gänsehautmoment: Als wir im Glockenturm direkt unter dem mächtigen Läutwerk stehen und uns an den Strahlen der tiefstehenden Sonne freuen, beginnt eine Glocke zum Abendgebet zu läuten. Die Glockenschläge versetzen nicht nur den Turm, sondern den ganzen Körper in Schwingung. Für einen weiteren Gänsehautmoment sorgt Schwester Susanne, als sie im imponierend hohen Altarraum ein Lied anstimmt.
#4: Kloster und Kaiserpfalz Memleben
Weiter geht die Reise auf der Straße der Romanik nach Memleben. Hier sind wir erstmals auf den Spuren von Otto I. In der Kaiserpfalz Memleben starb der Kaiser am Pfingsttag des Jahres 973. Bis heute rankt sich um Memleben die Legende, dass hier das Herz Ottos des Großen bestattet wurde. Doch gefunden wurde es nie.
Zurück zu den Fakten: Zu Ehren seines Vaters hatte Otto I. im 10. Jahrhundert eine mächtige Kirche in Memleben errichten lassen. Das monumentale Bauwerk ist heute ebenso verschwunden wie des Kaisers Herz, jedoch deuten Mauerreste und Fundamente auf den Bau aus dem 10. Jahrhundert hin. Mit einer stattlichen Länge von 82 Metern und einer Breite von knapp 40 Metern zählte die Kirche in Memleben zu den größten Gotteshäusern des Heiligen Römischen Reichs. Sie bestand aus einem dreischiffigen Langhaus, zwei Querhäusern sowie jeweils einer Chorapsis im Osten und im Westen. Die freigelegten Fundamente sowie ein Teil der Langhauswand lassen die beeindruckende Größe erahnen.
Dank moderner Technik können wir trotzdem einen Eindruck erhalten von der vermutlichen Größe der Kirche. Mit Hilfe eines Tablets, das man ausleihen kann, oder eines Smartphones entsteht die gewaltige Basilika vor unseren Augen wieder.
Im 13. Jahrhundert errichteten die Benediktinermönche eine neue Klosteranlage nebst Kirche. Für den Bau der ebenfalls dreischiffigen Basilika verwendete man Materialien der inzwischen aufgegebenen Klosterkirche aus dem 10. Jahrhundert. Von der prächtigen Marienkirche sind heute unter anderem Außenwände des Chores und des Langhauses erhalten, zudem Mittelschiffsarkaden und das Westportal. Die völlig unversehrte Krypta der Marienkirche konnten wir in ihrem Originalzustand besichtigen.
Die Klostergärten, die versteckt hinter den historischen Klostermauern liegen, gefallen mir besonders gut. Hier blühen und gedeihen in meditativer Ruhe Ringelblume, Schafgarbe und Johanniskraut, aber auch weniger bekannte mittelalterliche Heilkräuter wie Galgant oder Mädesüß.
#5: Merseburger Dom
Als eine der ältesten Städte im mitteldeutschen Raum wurde Merseburg im 10. Jahrhundert zur Königspfalz erhoben. Im Jahr 968 gründete Otto I. das Bistum Merseburg und legte damit nicht wirklich, aber im übertragenen Sinn, den Grundstein des Doms St. Johannes und St. Laurentius. Tatsächlich geschah dies durch Bischof Thietmar von Merseburg, einen der berühmtesten Chronisten des Mittelalters, sowie das Kaiserpaar Heinrich II und Kunigunde.
Gemeinsam mit dem Schloss und dem Kapitelsaal bildet der Dom auf einem Hügel über der Saale ein eindrucksvolles Ensemble.
Der Merseburger Dom wurde 1021 nach nur 6 Jahren Bauzeit geweiht. Seitdem veränderte sich die Basilika durch viele Umbauten gewissermaßen laufend. Noch im 11. Jahrhundert kamen aus technischen Gründen zwei runde Türme als Stütze des zuvor eingestürzten Sanktuariums hinzu. Ein Vierungsturm entstand ebenfalls im 11. Jahrhundert.
Von diesem ersten romanischen Bau sind heute noch Teile der Westtürme, ein Querhausflügel und die dreischiffige Hallenkrypta unter dem Chor erhalten.
Zur prachtvollen Ausstattung des Merseburger Domes zählt eine prunkvolle bronzene Grabplatte Rudolfs von Schwaben und ein Taufstein mit Apostel- und Prophetenfiguren. Daneben gibt es ein kunstvoll geschnitztes Chorgestühl, die über die Landesgrenzen hinaus bekannte Dom-Orgel und eine Renaissance-Kanzel im Langhaus.
Weil ich gerade Rudolf von Schwaben erwähnt habe: Im Domstiftsarchiv entdecke ich zufällig ein etwas makaberes Exponat. Es ist eine mumifizierte Hand. Genauer gesagt die Hand von Rudolf von Schwaben und ein dazugehöriges Etui. Die Hand soll dem umstrittenen mittelalterlichen Herrscher während einer Schlacht abgeschlagen worden sein.
Merseburger Zaubersprüche
Nachdem ich eine beeindruckende Klangprobe der Orgel erhalten habe, ziehen mich die Domstiftsbibliothek und insbesondere das Zauberspruchgewölbe magisch an. In dunkler Abgeschiedenheit und hinter dicken Mauern werden hier die Merseburger Zaubersprüche aufbewahrt. Die mystische Beleuchtung tut ihr Übrigens, um mir einen Schauer über den Rücken zu jagen, als die Domführerin mit Grabesstimme aus den heidnischen Beschwörungsformeln zitiert.
Die Merseburger Zaubersprüche gelten als die einzigen in Deutschland erhaltenen Zeugnisse germanischer Religiosität in althochdeutscher Sprache. Vor mehr als 1000 Jahren wurden sie von einem Mönch aufgeschrieben.
#6: Kloster St. Marien Helfta
Die Reise auf der Straße der Romanik führt mich nun nach Helfta, einem Stadtteil der Lutherstadt Eisleben. Das im Jahr 1999 wiederaufgebaute und -belebte Zisterzienserinnenkloster St. Marien war im 13. Jahrhundert berühmt als „Krone der deutschen Frauenklöster“. Die Bekanntheit beruhte unter anderem auf der wissenschaftlichen Bildung der Ordensfrauen.
Heute betreiben die Schwestern auf dem Klostergelände unter anderem einen Klosterladen, eine Seifenmanufaktur und ein Gästehaus. Im Park hinter der Kirche wurde ein Labyrinth aus Kräutern, Heilpflanzen und anderen heimischen Gewächsen angelegt.
#7: UNESCO-Welterbe-Stadt Quedlinburg
Die mittelalterliche Stadt Quedlinburg ist für mich immer eine Reise wert. Die von wunderschönen Fachwerkhäusern gesäumten Gassen der Altstadt ziehen sich hoch bis zum Schlossberg, auf dem die Stiftkirche St. Servatius thront. Der Domschatz ist weltberühmt und die Sarkophage des Königsehepaares Heinrich I. und seiner Gemahlin Mathilde sowie die romanische Krypta sind Sehenswürdigkeiten für sich.
Dom und Domschatz Quedlinburg
Der Dom St. Servatius als Herzstück der UNESCO-Welterbe-Stätte Quedlinburg entstand um 1100. Die Basilika zählt zu den bedeutendsten hochromanischen Bauwerken in Mitteldeutschland und hat eine bewegte Geschichte. So gründete Königin Mathilde nach dem Tod ihres Mannes Heinrich I. im Jahr 936 auf dem Burgberg ein Damenstift. Von hier aus regierten die Kaiserinnen Adelheid und Theophanu sowie Mathilde als Äbtissin das Reich.
Der Domschatz zu Quedlinburg besteht aus Kostbarkeiten, die im Besitz sächsischer Könige waren, und aus dem Brautschatz von Theophanu. Die Kaiserin stammte aus Konstantinopel und brachte von dort Künstler, Architekten und Kunsthandwerker mit. So verbreitete sich der Einfluss byzantinischer Künste im ganzen Reich.
Wann immer ich im Quedlinburger Dom bin, staune ich über kostbare Gefäße mit filigranen Intarsien, Skulpturen, einzigartige Goldschmiedearbeiten und feine Elfenbeinschnitzereien.
Basilika St. Wiperti in Quedlinburg
Am Fuße des Burgbergs liegt auf dem Gelände des ehemaligen Königshofs von Heinrich I. die Kirche St. Wiperti. Sie weist eine Krypta auf, die 1020 nachträglich in das Gotteshaus eingebaut wurde und bis heute im Originalzustand erhalten ist. An diesem Ort zu stehen, an dem Spuren von mehr als 1000 Jahren Leben konserviert sind, ist schon etwas ganz Besonderes.
Auch das romanische Rundbogenportal des Gotteshauses ist bemerkenswert. Außerdem gibt es ein Sandsteintaufbecken aus der Zeit um 1300 und einen Schnitzaltar aus dem Jahr 1485. St. Wiperti zählt übrigens ebenfalls zum UNESCO Welterbe.
In diesem Beitrag stelle ich weitere Welterbe-Stätten in Sachsen-Anhalt vor.
Mir hat übrigens die Stimmung auf dem Wiperti-Friedhof, den man auf dem Weg zum Eingangsportal passiert, am Abend eines anstrengenden Tages besonders gut gefallen. Der Friedhof gehört zum denkmalgeschützten Areal und sollte bei einer Besichtigung nicht ausgelassen werden.
Alle Fotos: Beate Ziehres
Pressereise: Mein Dank für die Einladung geht an die IMG Sachsen-Anhalt mbH und an alle an der Organisation und Umsetzung Beteiligten. Ich habe kein Honorar erhalten. Der Beitrag gibt meine eigenen Ansichten wieder.
Weitere bedeutende Bauwerke an der Straße der Romanik in Sachsen-Anhalt
- Burg Falkenstein im Harz
- Naumburger Dom St. Peter und Paul
- Magdeburger Dom St. Mauritius und St. Katharina