Um diesen Beitrag zu verfassen, musste ich nicht in die Ferne reisen. Vor dem Wochenendeinkauf in Königslutter nutzte ich eine überraschende, sonnige Stunde für diese Fotosession. Wie bei jedem Besuch in der Grabeskirche Kaiser Lothars III war ich auch diesmal überwältigt von der Größe der Basilika und der Baukunst des 12. Jahrhunderts.

Man schreibt das Jahr 1135, als Kaiser Lothar von Süpplingenburg und seine Frau Richenza von Northeim den Grundstein für den Kaiserdom legen. Als Standort für die Kirche haben sie die höchste Stelle des Ortes, der damals schon urkundlich bekannt war, ausgewählt. Es sollte die Gedächtnis- und Grabeskirche des Paares werden, aber auch die besondere Stellung der Bauherren verdeutlichen.

Der Kaiserdom in Königslutter von Westen gesehen – Foto: Beate Ziehres

Der Kaiserdom in Königslutter von Westen gesehen – Foto: Beate Ziehres

Der Kaiserdom – das Werk italienischer Steinmetze

Mit dem Kaiserdom hat sich Lothar – seinerzeit neben dem Papst der mächtigste Mann in seinem Reich – ein Denkmal gesetzt und gleichzeitig Weltgewandtheit dokumentiert. Denn verschiedene romanische Dombauwerke in Italien könnten Lothar als Vorbild gedient haben. Es liegt nahe, dass Lothar auf seinem ersten Italienfeldzug durch Verona und Modena gekommen ist und dort an den Dombaustellen einige Ideen gesammelt hat. Die in Königslutter beschäftigten Steinmetze kamen nachweislich aus Oberitalien und brachten die Besonderheiten romanischer Bildhauerkunst nach Deutschland.

Im Kaiserdom zu Königslutter: Steinmetzarbeit am Ausgang zum Kreuzgang – Foto: Beate Ziehres

Im Kaiserdom zu Königslutter: Steinmetzarbeit am Ausgang zum Kreuzgang – Foto: Beate Ziehres

Schon alleine durch seine monumentale Größe – die Stiftskirche ist 75 Meter lang und 18 Meter hoch – beeindruckt das Bauwerk noch heute. Zumindest mich. Wie die Menschen damals den Bau bewerkstelligten, ist mir ein Rätsel. Ob sie Hilfsmittel hatten, um die riesigen Quader aus Elmsandstein, der in der Nähe von Königslutter gebrochen wurde, nach oben zu transportieren? Und auf welche Weise haben die Bauarbeiter wohl das Gewölbe angelegt? Denn der Kaiserdom ist das erste große Gewölbebauwerk nördlich des Harzes. Als solches genießt er besondere Bedeutung.

Schon durch die Größe beeindruckt der Kaiserdom in Königslutter – Foto: Beate Ziehres

Berühmtes Meisterwerk: der Jagdfries des Kaiserdoms in Königslutter

Bei der Betrachtung von außen fallen die ornamentalen Plastiken an der Fassade auf. Richtiggehend berühmt ist der Jagdfries an der nach Osten orientierten Apsis. Hier hat ein italienischer Steinmetz ein facettenreiches Bilderbuch mit Jagdszenen geschaffen. Fachleute behaupten, der Bauherr wollte mit dem Kunstwerk eine Botschaft überbringen. Mag sein. Jedenfalls kann man viel Zeit damit verbringen, die einzelnen, in Stein gemeißelten Bilder anzuschauen.

Der Jagdfries ziert die Apsis des Doms in Königslutter (links im Bild) – Foto: Beate Ziehres

Der Jagdfries ziert die Apsis des Doms in Königslutter (links im Bild) – Foto: Beate Ziehres

Auch im Kreuzgang haben sich die Steinhauer und Steinmetze verewigt. Von den zehn Säulen im nördlichen Bereich ähnelt keine der anderen. Gedreht, gefurcht, geflochten, mit Ranken versehen – jede Säule ist eine fantasievolle Skulptur. Alle Säulen tragen mit Blattwerk verzierte Kapitelle. Es heißt, die plastische Tiefe der Steinmetzarbeiten sei oft nachgeahmt, aber nie wieder erreicht worden. Die Säulenköpfe des Kaiserdoms gelten unter Fachleuten als die schönsten antikisierenden romanischen Kapitelle in Deutschland.

Die Säulen im nördlichen Kreuzgang des Kaiserdoms in Könisglutter– Foto: Beate Ziehres

Die Säulen im nördlichen Kreuzgang des Kaiserdoms in Könisglutter– Foto: Beate Ziehres

Der Kaiserdom heute: Ausmalung mit ursprünglicher Farbkraft

Doch wenden wir uns dem Innenraum der Kirche zu. Als ich den Kaiserdom erstmals betreten habe, hat mir der Anblick schon den Atem geraubt. Das war irgendwann in den 1990er-Jahren. Damals war noch die Originalausmalung aus dem späten 19. Jahrhundert zu sehen, die sich an romanischen und barocken Vorbildern orientiert. Die Malerei im Kaiserdom gilt als bedeutendes Zeitdokument des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Sie wurde inzwischen restauriert, erstrahlt mit ihrer ursprünglichen Farbkraft und ist so noch schöner geworden.

Schön bunt: Blick zur Empore des Kaiserdoms in Königslutter mit der Orgel – Foto: Beate Ziehres

Schön bunt: Blick zur Empore des Kaiserdoms in Königslutter mit der Orgel – Foto: Beate Ziehres

Deckenmalerei im Seitenflügel des Kaiserdoms, Königslutter – Foto: Beate Ziehre

Deckenmalerei im Seitenflügel des Kaiserdoms – Foto: Beate Ziehres

Wie der Kirchenraum im Mittelalter ausgesehen hat, vermag ich mir nicht vorzustellen. Ein Berliner Kunsthistoriker meint, das Gotteshaus wäre wohl gefüllt gewesen „mit Altären samt Vorhängen, Teppichen, Leuchtern und Reliquiaren, mit Grabmälern und Denksteinen, Votivbildern und –gaben, Epitaphien, Totenschildern, alten Rüstungen und von Motten zerfressenen Fahnen, mit Inschriftentafeln und angeketteten Büchern, Gestühlen, Schränken, Gittern.“ Er vermutet, dass Fackel- und Kerzenruß die Wände, Decken und Fenster geschwärzt hat und deshalb nicht viel zu erkennen war. Puh, da bin ich aber froh, dass der Kaiserdom heute aussieht, wie er aussieht! Ich finde die Atmosphäre einfach schön und könnte mich hier stundenlang aufhalten.

Im Inneren des Kaiserdoms zu Königslutter: Blick zum Altar – Foto: Beate Ziehres

Im Inneren des Kaiserdoms zu Königslutter: Blick zum Altar – Foto: Beate Ziehres

Der Kaiser sollte die Fertigstellung des Bauwerks nicht erleben. Schon zwei Jahre nach der Grundsteinlegung starb Lothar und wurde in der unvollendeten Kirche beigesetzt. Nur vier Jahre später folgte ihm Richenza ins Grab. Die Gräber des kaiserlichen Paares wurden in den nächsten Jahrhunderten mehrmals geöffnet und daraus Gegenstände entnommen, darunter Lothars Reichsapfel, die Grabkronen, ein Schwert und Ringe. Im Jahr 1708 musste zumindest Lothars Grab neu gestaltet werden, nachdem herabstürzende Gewölbe das Grabmal zerstört hatten.

Die Gräber von Lothar III und Richenza im Kaiserdom Königslutter – Foto: Beate Ziehres

Die Gräber von Lothar III und Richenza im Kaiserdom Königslutter – Foto: Beate Ziehres

Der Kaiserdom als kirchenbauliches Vorbild

Als Bauherr hatte Lothar von Süpplingenburg ohne Zweifel großes Talent. Der Kaiserdom zählt heute zu den wichtigsten romanischen Kulturdenkmälern Deutschlands. Und er diente vielen anderen Kirchen in Norddeutschland als Vorbild.

Bedeutendes Kulturdenkmal der Romanik: der Kaiserdom in Königslutter – Foto: Beate Ziehres

Bedeutendes Kulturdenkmal der Romanik: der Kaiserdom in Königslutter – Foto: Beate Ziehres

Nach Lothars Tod änderte man übrigens die Baupläne für die heutige Stiftskirche St. Peter und Paul. Der Dom wurde in einer einfacheren Weise als ursprünglich geplant vollendet. Die beiden Westtürme entstanden erst im 15. Jahrhundert nach alten niedersächsischen Bautraditionen. Der große Mönchschor im Osten – wo heute der Altar steht – wurde hingegen im ersten Bauabschnitt nach Originalbauplänen errichtet.

Kaiserdom Königslutter: der Chorraum – Foto: Beate Ziehres

Kaiserdom Königslutter: der Chorraum – Foto: Beate Ziehres

Königslutter als Wallfahrtsort

Im späten Mittelalter entwickelte sich Königslutter zu einem beliebten Wallfahrtsort. Grund dafür waren zahlreiche Reliquien und ein angeblich wundertätiges Marienbildnis, aber vor allem wohl die päpstliche Berechtigung, großzügige Ablässe zu gewähren. Jedes Jahr am Patronatsfest strömten die Pilger zu Tausenden nach Königslutter. Die Gläubigen, die an der sogenannten „Lutterschen Fahrt“ teilnahmen, kamen von weit her, beispielsweise von der Ostsee oder aus dem Rheinland.

Kaiser Lothars Stammburg – ein Abstecher nach Süpplingenburg

Der Kaiserdom war übrigens nicht Lothars Erstlingswerk. Bereits im Jahr 1130 hatte er im Hof seiner Stammburg in Süpplingenburg, etwa acht Kilometer östlich von Königslutter, den Grundstein für ein Gotteshaus gelegt. Die Johanniskirche ist ebenfalls im romanischen Stil erbaut und der letzte erhaltene Rest der Burg, nach der sich Lothar III benannte.

Die romanische Johanniskirche in Süpplingenburg – Foto: Beate Ziehres

Die romanische Johanniskirche in Süpplingenburg – Foto: Beate Ziehres

Anreise nach Königslutter

Königslutter liegt zwischen Hannover und Magdeburg und ist mit dem Auto gut über die Autobahn A2 zu erreichen. Von der Abfahrt Königslutter sind noch etwa vier Kilometer bis in die Stadt zu fahren. Halten Sie sich in Königslutter in Richtung Helmstedt, dann folgen Sie der Ausschilderung in Richtung Kaiserdom.

Regionalexpress-Züge aus Magdeburg und Braunschweig halten ebenfalls in Königslutter, Der Fußweg zum Dom ist 1,5 Kilometer lang und dauert etwa 20 Minuten.