Djerba ist bekannt für lange, weiße Sandstrände, türkisfarbenes Meer, schöne Hotels und Sonnenschein. Doch die südlichste aller Mittelmeerinseln hat auch kulturell viel zu bieten. Seit die Insel im Osten Tunesiens 2023 UNESCO-Weltkulturerbe wurde, entstehen vor Ort neue Angebote, um die Gäste mitzunehmen auf eine spannende Reise in die einzigartige Vergangenheit Djerbas.
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UNESCO-Weltkulturerbe Houmt Souk
In der Inselhauptstadt Houmt Souk bin ich mit Wajdi Borgi verabredet. Der charismatische Mittdreißiger kehrte vor einigen Jahren in sein Elternhaus auf Djerba zurück. Er habe die Nase voll gehabt von Büro-Luft, sagt er. Auf seiner Heimatinsel fand er den jahrelang vermissten familiären Zusammenhalt, Leichtigkeit und die geliebte heiter-entspannte Atmosphäre wieder.
Wajdi versteht sich als Urban Worker. „Ich bringe Leute zu Orten, von denen sie meinen, sie gehörten nicht dorthin“, sagt er und öffnet die verwitterte Pforte einer Karawanserei in der Altstadt von Houmt Souk.

Was hat es mit der kleinen Tür im Eingangstor der alten Karawanserei auf sich? Wajdi Borgi weiß es.
Ich trete ein und finde mich in der Vergangenheit wieder. Von Jahrhunderten gezeichneter Anstrich, ausgetretene Stufen, ein Brunnen und eine Zisterne zeugen von lebhaftem Geschehen in diesem Innenhof. Die zahlreich erhaltenen Karawansereien auf Djerba fungierten früher als wirtschaftliche Zentren und Marktplätze.

Blick in den Hof der alten Karawanserei

Wajdi Borgi bringt mich zu Orten, „von denen Besucher glauben, nicht hinzugehören“.

Brunnen im Hof der alten Karawanserei.
In den vergangenen Jahren wurden viele Karawansereien modernisiert und fanden eine neue Nutzung als Restaurants, Boutiquen oder Hotels. Sie prägen noch heute das Bild der Altstadt von Houmt Souk, die eines von sieben UNESCO Welterbe-Gebieten auf Djerba ist.

Diese Karawanserei wurde restauriert und beherbergt jetzt ein Restaurant und Läden.

Die maltesische Karawanserei und das Café Haj’hsan (links im Hintergrund) in der Rue Habib Bou Gaffa
Darum wurde Djerba UNESCO-Weltkulturerbe
Ich mache mit Wajdi die Houmt Souk Walk and Talk Urban Tour UNESCO. Wir streifen durch die Souks, blicken in die kleinen Schneidereien, wo noch gearbeitet wird wie früher und entdecken die Gasse, in der sich die Goldschmiede niedergelassen haben.

Unterwegs im Souk der Schneider in Houmt Souk

Gasse der Goldschmiede
Später setzen wir uns vor dem Café de Haj’hsan in der Rue Habib Bou Gaffa unter einen mächtigen Baum, um einen frisch gepressten Orangensaft zu trinken – im Februar zur Erntezeit der Orangen wärmstens zu empfehlen! Wajdi erzählt von den Besonderheiten Djerbas, die mit Auslöser dafür waren, dass die Insel Weltkulturerbe wurde.
Eine dieser Besonderheiten ist die Gesellschaft Djerbas. Hier leben Moslems, Christen und Juden friedlich miteinander. „Man ist miteinander befreundet und akzeptiert die Werte und Gebräuche des anderen“, sagt Wajdi. Von unserem Tisch aus sehe ich die Mosquée des Turcs, also die türkische Moschee. Ginge ich ein paar Schritte in Richtung Moschee, könnte ich die Turmspitzen der katholischen Kirche St. Joseph sehen.

Die katholische Kirche St. Joseph im Zentrum von Houmt Souk
Später bummele ich durch das jüdische Viertel Hara Kebira, in dem sich gleich zwei Synagogen befinden. Auch die älteste erhaltene und bedeutendste Synagoge Nordafrikas, La Ghriba, befindet sich auf Djerba.
Geführte Touren zum UNESCO-Welterbe buchen oder App nutzen
In den App Stores ist die kostenlose App „Djerba Guide“ verfügbar. Sie wird von der Djerba Management Organisation bereitgestellt und versteht sich als praktischer Leitfaden zur Entdeckung der Insel Djerba. Djerba Guide kann auch offline genutzt werden.
Weitere Informationen über Djerba und Touren unter https://www.destination-djerba.com/. Touren wie die Houmt Souk Walk and Talk Urban Tour UNESCO oder eine Streetfood-Tour durch Houmt Souk können per E-Mail unter contact@destinationdjerba.com gebucht werden.
Reiche Geschichte mit multikulturellen Einflüssen
24 religiöse Baudenkmäler, allesamt Welterbe-Stätten, spiegeln eine reiche Geschichte der Insel wider. Berberische, ibaditische, malikitische, christliche und jüdische Einflüsse sind hier deutlich sichtbar. Zu diesen Welterbe-Stätten zählen neben der Synagoge La Ghriba beispielsweise die Moscheen Sidi Jmour und Sidi Yati sowie die griechisch-orthodoxe Kirche St. Nicolas in Houmt Souk.
Sidi Yati, Djerba – die alte Moschee am Meer
Die Moschee Sidi Yati liegt im Süden Djerbas bei Guellala und direkt über dem Meer. Sie gilt als Beispiel traditioneller ibaditischer Architektur und entstand im frühen 10. Jahrhundert. Ich besuche Sidi Yati an einem etwas trüben Vormittag und kann die friedvolle, spirituelle Atmosphäre in Ruhe genießen.

Das Gebäude links ist das Herzstück der historischen Moschee.

Dieses Seitengebäude der Moschee Sidi Yati ist offensichtlich bewohnt.

Noch ist der Hof der Moschee Sidi Yati menschenleer.

Blick aus der historischen Moschee Sidi Yati zum Meer.
Doch lange wird die Stille vermutlich nicht mehr währen. Eine junge Frau kommt aus einem würfelförmigen Bau mit der für Djerba typischen Kuppel auf dem Dach. Sie erwartet eine Pfadfindergruppe, die jeden Moment eintreffen wird, um den magischen Ort zu erkunden.

Freundlicher Empfang im Hof der Moschee.
Extratipp: Sidi Yati soll eine wundervolle Stelle sein, um den Sonnenuntergang zu beobachten.
Sidi Jmour, Djerba – Star Wars Drehort und bester Ort für Sonnenuntergänge
Mein ganz persönlicher Favorit für geradezu mystische Sonnenuntergänge ist allerdings Sidi Jmour. Abseits größerer Orte liegt Sidi Jmour im Westen der Insel. Als Bildvordergrund dient mir hier eine Bucht, in der sich Fischer – völlig unbeeindruckt vom farbigen Schauspiel am Himmel – mit ihren Netzen beschäftigen.

Gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang am Hafen Sidi Jmour.

Abendstimmung am kleinen Fischerhafen von Sidi Jmour.
Daneben thront auf einem mächtigen Felsen die Moschee Sidi Jmour. Dies ist wohl schon seit über 500 Jahren so. Unter dem Namen „Agimar“ wird die Moschee auf Karten aus dem 16. Jahrhundert erwähnt. Der Gebäudekomplex umfasst beispielsweise „Jamaa El Fougani“, die sogenannte Obere Moschee, und „Jamaa El Agwass“, die Moschee der Arkaden. Auch eine Begräbniskapelle mit Kuppel ist vorhanden.
Sidi Jmour ist auch ein Highlight für Star-Wars-Fans. Die fotogene Moschee diente als Kulisse für eine gelöschte Szene aus Episode IV. Luke Skywalker und Biggs Darklighter waren hier in der Tosche-Station in Mos Eisley zu sehen. Zudem wurde das Gebetshaus in der Special Edition für die Szene genutzt, in der Lukes Landgleiter mit Obi-Wan Kenobi und den Droiden auf Mos Eisley zusteuert.
Ich kann bei meinem Besuch nicht genug kriegen von der Stimmung während der blauen Stunde, die hier eher eine rosa-blaue Stunde ist. Auch die Einheimischen wissen um den Zauber des Ortes. An diesem Sonntagabend war ich nicht alleine, als der Ruf des Muezzins über die abgelegene Gegend schallte. Gänsehaut!

Die Moschee Sidi Jmour liegt auf einem Felsen am Meer.

Star Wars Drehort Sidi Jmour
Menzel als UNESCO-Gebiet mit vorstädtischer Besiedlung
Die einzigartige Siedlungsstruktur Djerbas hat ebenfalls maßgeblich dazu beigetragen, dass die Mittelmeerinsel in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen wurde. Um im Laufe der 9.000 Jahre währenden Besiedlung zu bestehen, mussten sich die Bewohner immer wieder gegen unerwünschte Eindringlinge verteidigen. Daneben schufen die Menschen ausgeklügelte Systeme, um die knappen Ressourcen bestmöglich zu nutzen.
So siedelten die Bewohner in verstreuten Vierteln, sogenannten Houma. Diese Viertel sind durch ein weit verzweigtes Wegesystem verbunden, das noch heute sichtbar ist. Die charakteristischen Bauernhöfe auf Djerba werden Menzel genannt. Die Gehöfte bestehen aus vierseitig gruppierten Wohngebäuden, die einen geschützten Innenhof umschließen.
Auf den landwirtschaftlichen Flächen, die den Wohnbereich umgeben, werden beispielsweise Palmen, Oliven- und Obstbäume sowie Gemüse angebaut. Jedes Menzel verfügt über eigene Wasserquellen – Brunnen und Zisternen – und ein ausgeklügeltes System zur Bewässerung der Felder. Noch heute wirken Menzel – zumindest auf mich –wie eine Oase. Die Pflanzen wachsen in der Art eines Waldgartens auf mehreren Ebenen, weshalb die Bewässerung sehr effizient ist.

Menzel mit Wohngebäuden in einem Wald aus Palmen und Olivenbäumen

Das Wassersammelbecken ist Teil des Bewässerungssystems.
Besucher, die einen authentischen Einblick in diese traditionelle Lebensweise erhalten möchten, finden im Erlebnispark Djerba Explore eine gute Gelegenheit. Im Bereich „Djerba Heritage“ des Parks wurde ein Menzel originalgetreu nachgebildet. Hier können Gäste die Architektur, landwirtschaftliche Arbeitsweise und den Alltag der Bewohner hautnah erleben.
Extratipp: Im neuen Infozentrum der Djerba Management Organisation sind viele Informationen erhältlich, zum Beispiel Bücher, die Lust machen, Djerba zu erkunden, und ein Kochbuch mit authentischen Rezepten von der Insel Djerba.
Adresse:
Quartier Maltais, Avenue Taieb Mhiri, Houmt Souk, Tunesien
Alle Fotos in diesem Beitrag: Beate Ziehres
Mehr lesen:
- In Tunesien gibt es insgesamt 9 UNESCO-Welterbe-Stätten, die zu einer UNESCO-Weltkulturerbe-Route zusammengefasst sind.
- Im Norden von Tunesien finden Kulturinteressierte die Welterbe-Stätten Dougga und Lac Ichkeul.
- Und hier bummele ich ausführlich durch die Medina von Tunis, ebenfalls Welterbe-Stätte.
Vielen Dank an das Tunesische Fremdenverkehrsamt in Frankfurt für die Einladung und die Organisation der Reise nach Djerba sowie an die Djerba Management Organisation für die Gespräche, Informationen und die aufschlussreichen Touren.