Wenn Mamma Ornella eine buntgemischte Gruppe wissbegieriger Hobbyköche in die Geheimnisse der echten umbrischen Küche einweiht, ist man im Agriturismo La Rogaia gelandet. Dieses Glück wurde uns im vergangenen Herbst zuteil. Auf Einladung der Hausherrin Annette Greifenhagen reisten wir nach Italien, genauer gesagt in die bewaldeten Hügel zwischen Perugia und Lago Trasimeno. Die rustikale Villa La Rogaia und ihr Garten inmitten der urwüchsigen Landschaft Umbriens bilden die Kulisse für einen Kochkurs der besonderen Art.
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Das Herz und die Seele der Küche ist in diesen Tagen Ornella Carletti. Die resolute, herzensgutmütige Köchin füllt die Räume mit ihrer Gegenwart und guter Laune. Wenn Mamma Ornella mit einem „Allora“ anhebt, um den Speiseplan zu verkünden, verstummt das muntere Stimmengewirr am großen Küchentisch.
Wie die Jünger hängen wir jeden Nachmittag erneut an ihren Lippen – immer in der Hoffnung, ihre klangvollen Worte deuten zu können. Aus dem Mund der Maestra klingen Begriffe wie Linguine allo scoglio, Coniglio del buon ricordo und Sorbetto al limoncello wie die reinsten Verheißungen. Und tatsächlich: Was immer wir unter Ornellas Anleitung zubereiten ist eine Offenbarung.
Beste Zutaten aus der Region Umbrien
„Das Geheimnis der italienischen Küche ist die Qualität der Zutaten“ erklärt Annette Greifenhagen bereits am ersten Tag des Kochkurses. So verwendet Ornella am liebsten regionale und saisonale Erzeugnisse, gerne auch aus dem Garten der Villa La Rogaia. Das Fleisch stammt vom Schlachter ihres Vertrauens. Fisch, Meeresfrüchte und Gemüse ersteht die Köchin vorzugsweise auf dem Markt.
An einem Nachmittag präsentiert Ornella stolz ein Stück zart marmoriertes Rindfleisch. Es ist das Bürgermeisterstück – besonders zartes und wohlschmeckendes Muskelfleisch – des Chianina Rinds. Die prächtigen weißen Chianina Rinder sind in Umbrien heimisch. Sie dienten den Bauern früher erst als Zugtiere und am Ende ihres Lebens als Braten. Wenige Stunden später zergeht mir das Fleisch auf der Zunge.
Doch halt, soweit ist es noch nicht. Kenner der italienischen Küche wissen, dass das Fleisch erst gegen Ende mehrstündiger Schlemmerei auf den Tisch kommt. In der Villa La Rogaia ist das nicht anders.
„Italienische Küche ist eine Art Trennkost. Kohlehydrate in Form von Nudeln, Risotto oder Polenta isst man als Primi, danach Proteine und Fasern, sprich Fleisch und Gemüse. Eigentlich ist man schon nach den Nudeln satt.“
Annette Greifenhagen, Gastgeberin und Hausherrin La Rogaia
Nachdem uns Ornella um den großen Küchentisch versammelt hat, erklärt sie, was aus den Zutaten entstehen wird. Alleine beim Anblick und Zuhören läuft mir schon das Wasser im Munde zusammen.
Mit dem Appetithäppchen beginnt die Schlemmerei
An diesem Abend gibt es als Stuzzichino – also Vorspeise – Schiacciatine al formaggio mit Capocollo und Lardo di colonnata sowie Gorgonzola mit Honig und Birne. Schiacciatine al Formaggio ist ein würziger Blechkuchen. Den Teig bereitet Mamma Ornella im Handumdrehen aus Unmengen Joghurt, Eiern, geriebenem Parmesan und Emmentaler. Zack, aufs Blech und in den Ofen.
Während der Kuchen im Ofen steht, schneidet die Köchin mit der Maschine Lardo di colonnata, einen ganz besonderen, regionalen Speck, in hauchdünne Scheiben.
Das Ergebnis ist ein schnell zubereiteter Gaumenkitzel, der fürs erste sättigt und auch in Deutschland immer hervorragend ankommt.
Pasta oder Risotto als 1. Gang
Nach dieser Stärkung kommen schließlich auch wir Küchenlehrlinge zum Einsatz. Es gilt, ein Waldpilzrisotto vorzubereiten sowie die Gemüse, die zum Fleisch gereicht werden.
Für das Risotto hat Ornella Steinpilze, Parasol, Pfifferlinge und winzige „Pioppini“, einen regionalen Pilz Umbriens mitgebracht. Mit vereinten Kräften sind die Pilze schnell geputzt und geschnitten. Bei dieser Gelegenheit lernen wir, dass für Risotto grundsätzlich drei Töpfe benötigt werden: ein Topf für den Reis, ein Topf, um die geschmackgebenden Gemüse zu garen und einen für die heiße Brühe. Die Brühe wird schöpflöffelweise zum Reis gegeben – Freunden der italienischen Küche werde ich damit keine Neuigkeiten erzählen.
Während auf dem Herd das Risotto leise köchelt und ab und zu hingebungsvoll gerührt wird, widmet sich Ornella dem Fleischgericht – der Tagliata di vitello Chianina. Das Fleisch stellt an diesem Tag den Höhepunkt der Speisenabfolge dar. Nachdem die Köchin das Bürgermeisterstück des Chianina-Rinds in gleich dicke Stücke geschnitten hat, gibt sie in eine Pfanne sehr viel Olivenöl, einige Zweige Rosmarin aus dem Garten, Knoblauchzehen und eingelegten grünen Pfeffer. Diese Pfanne stellt Ornella bei kleiner Flamme auf den Herd und erhitzt das Öl sehr langsam. Schon steigt ein köstlicher Geruch aus der Pfanne auf, doch wir müssen uns noch gedulden.
Fleisch, Fisch und Gemüse – der 2. Gang
In der Zwischenzeit kümmert sich Mamma Ornella um das Gemüse zum Fleisch. Es gibt Carote e cipolle in agrodolce und Fagiolini al basilico. Karotten und Zwiebeln werden süßsauer zubereitet, die grünen Bohnen mit Knoblauch, Basilikum und Balsamico verfeinert.
Schließlich versammeln sich alle Kursteilnehmer an der langen Tafel. Wir genießen das weltbeste Waldpilz-Risotto, natürlich mit dem passenden Wein. Annette hat zum Risotto einen wunderbar spritzigen Schaumwein ausgewählt, den Spumante brut von der Cantina Terre del Carpine in Magione.
In der Küche hat Ornella derweil das Fleisch bei hoher Hitze angebraten, in Streifen geschnitten und auf dem Teller mit dem heißen Rosmarin-Öl übergossen. Es gilt, sich schnell mit bereitstehendem Gemüse zu versorgen und – zu genießen! Das Fleisch zergeht auf der Zunge und hier explodiert auch der Geschmack. Wahnsinn! So gut schmeckt Umbrien!
Selbstgemachte Pasta
Im Laufe der Woche gibt es auch einen Fisch-Tag und einen Nudel-Tag. An letzterem bringt Ornella ihren Mann mit. Franco gilt als Meister an der Nudelmaschine. Unter seiner Anleitung fertigen wir Mezzelune – wörtlich Halbmonde – mit einer Ricotta-Spinat-Füllung und frische Tagliatelle. Zu den Bandnudeln gibt es übrigens ein Wildschwein-Ragout, das schon mehrere Tage lang mit Rosmarin und Wacholderbeeren köchelte – ebenfalls eine Spezialität Ornellas.
Ich muss an dieser Stelle noch erwähnen, dass uns die Mamma zum Abschluss jedes Menüs mit ein oder zwei unwiderstehlichen Nachspeisen verwöhnt. Zu nennen wäre hier beispielweise ein unvergleichlich leckeres Sorbetto al limoncello, Crescionda oder der Cheesecake allo yoghurt.
Während Ornella knetet, rührt, schneidet und brät, unterhält sie ihre Schüler mit allerlei Schabernack. Ein Tänzchen um den Küchentisch? Natürlich! Gleichzeitig lernen wir auf vergnügliche Weise die Küche Umbriens etwas besser kennen. Allora:
7 wissenswerte Facts aus der echten umbrischen Küche
• Die Küche Umbriens kommt mit wenigen, aber qualitativ sehr hochwertigen Zutaten aus.
• Der Eigengeschmack der Zutaten ist Trumpf, deshalb kommt kein Amaretto ans Tiramisu, sondern Cognac.
• An köstlichem Olivenöl – am besten regionaler Herkunft – wird hier nicht gespart.
• Für die Soßen werden geschmacksgebende Zutaten kalt in Olivenöl aufgesetzt, langsam erhitzt und etwas köcheln gelassen.
• Oregano kommt nie zum Fleisch, sondern allenfalls auf die Pizza
• Knoblauchzehen werden maximal einmal durchgeschnitten, aber eher ganz verwendet.
• In Risotto und Pesto kommt kein Parmesan, vielmehr wird der Käse frisch über das fertige Gericht gerieben.
Mit einem Rezepte-Schatz im Koffer und ganz vielen neuen Inspirationen verlassen wir La Rogaia nach einer Woche wieder in Richtung Deutschland. Ich habe unter anderem gelernt, dass umbrisches Fladenbrot (Torta al testo) in der Pfanne gebacken wird – sehr empfehlenswert! –, wie man in Umbrien Spinat zubereitet und wie lange echter Balsamico reift.
Etliche Rezepte habe ich inzwischen zuhause nachgekocht, einige sind geschmacklich leider nicht an Ornellas Werke herangekommen. Aber: Versuch macht klug. Im Zweifelsfall buche ich wieder einen Kochkurs mit der temperamentvollen Maestra Ornella in La Rogaia.
Gemüse in der Küche Umbriens
Unser Tipp am Rande: Vegetarier sollten sich nicht abschrecken lassen von der Fleischliebe der umbrischen Küche. Meine Tochter und Reisegefährtin Lena ist als Vegetarierin jeden Tag satt und glücklich ins Bett gegangen. Mehr noch: Die „Extrawürste“ für Lena haben so lecker ausgesehen und geschmeckt, dass sich die Gruppe einige Gerichte ebenfalls gewünscht hat. Ich sage nur „echte Caprese“!
Der Kochkurs in La Rogaia schließt übrigens mit einem weiteren kulinarischen Highlight: einer Exkursion mit Trüffelsuche, Trüffelverkostung und Besuch eines Weinbauern, der auf traditionelle Weise den umbrischen Dessertwein Vin Santo herstellt. Darüber berichte ich demnächst ausführlich.
Die nächsten Kochkurse „La vera cucina Umbra“ in La Rogaia finden im Mai und im Oktober/November 2022 statt. Weitere Informationen und Buchungen auf der Webseite von La Rogaia.
Alle Fotos, sofern nicht anders angegeben: Beate Ziehres
Die Recherche für diesen Beitrag wurde vom Agriturismo La Rogaia unterstützt. Eine inhaltliche Einflussnahme ist damit nicht verbunden.