Das Ultental empfängt mich mit Stille – nur das Rauschen der Falschauer und ihrer Zuflüsse sowie Kuhglocken-Geläut dringen an mein Ohr. Ich bin hier, weil ich Orte suche, die Gelassenheit, gute Küche und echte Begegnungen vereinen. Genau das verspricht das Ultental – und liefert schon in den ersten Minuten: sattgrüne Wälder, beschauliche Almen und Gastgeber, die mich begrüßen, als gehöre ich seit Jahren zur Familie. Man sagt, hier finde man Ruhe, Inspiration, gutes Essen und ein Glas handgelesenen Pinot Noir gleich um die Ecke. Ich will der Sache auf den Grund gehen.

Das Ultental   zwischen Wasser, Wald und Weitblick

Die Zufahrt von Lana (ital. Lana di Sopra) kommend windet sich kurvig durch Obstgärten den Berg hinauf. Bald tauchen die Dörfer St. Pankraz (San Pancrazio), St. Walburg (Santa Valburga), St. Nikolaus (San Nicola) und ganz hinten am Talende St. Gertraud (Santa Gertrude) auf. Wasser prägt das Tal: Die Falschauer begleitet meinen Weg, Bäche springen über Granitstufen, immer wieder tauchen Seen auf.

Apropos Seen: Kurz hinter St. Walburg reibe ich mir verwundert die Augen. Der Zoggler Stausee ist weg! Wo sonst türkisfarbenes Wasser glitzert, stehen Radlader und ratlos blickende Ingenieure. Ein paar Kinder hüpfen am Rand der sich stetig verkleinernden Wasserfläche herum. Später erfahre ich, dass das Wasser durch ein Loch in der Staumauer abläuft.

Kuppelwies im Ultental. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Kuppelwies aus der Kabine der Schwemmalm-Bahn. Eigentlich liegt das Dorf am See …

Im Ultental ist das jedoch kein Grund zur Aufregung. Die Mauer wird geflickt und der See wird sich wieder füllen. Zudem kommt man hierher nicht zum Surfen, sondern zum Wandern.

Die Ultner leben Gemeinschaft und Nachhaltigkeit

Bevor ich jedoch zu meiner ersten Wanderung aufbreche, treffe ich Waltraud Schwienbacher, eine Frau, die man wohl getrost als gute Seele des Tals bezeichnen kann.

Waltraud Schwienbacher, Kräuterreich Wegleit St. Walburg. Foto: Beate Ziehres

Eine rührige Frau: Waltraud Schwienbacher in ihrem Kräuterreich auf dem Wegleithof in St. Walburg.

Sie hat die Ultner Wollmanufaktur „Bergauf“ in Kuppelwies ins Leben gerufen, die Winterschule Ulten gegründet und ihren Hof als Kräuterreich Wegleit neu aufgestellt. Was immer Waltraud Schwienbacher tut: Ihr geht es um Wertschätzung – Wertschätzung der natürlichen Ressourcen, Wertschätzung traditionellen Wissens und Könnens und Wertschätzung jedes einzelnen Menschen.

Wertschätzung des natürlichen Materials Schafwolle ist auch die Basis der Ultner Wollmanufaktur.

„Wolle vermittelt Optimismus und gleicht das Gemüt aus. Man sollte sich viel mehr mit Wolle umgeben.“
Waltraud Schwienbacher, Gründerin der Ultner Wollmanufaktur „Bergauf“

Ultner Wollmanufaktur „Bergauf“

Bei meinem Besuch in der Wollmanufaktur komme ich der Aufforderung gleich nach. Ich sehe im angeschlossenen Laden ein Paar pinke Wollstiefel. Es ist sicherlich Fügung, dass das Paar, ein Unikat, wie mir Wolfgang Raffeiner versichert, passt wie angegossen und sich anfühlt, wie eine warme Umarmung!

Produkte Wollmanufaktur Bergauf Kuppelwies, Ultental. Foto: Beate Ziehres

Hier noch in der Auslage, jetzt in meinem Schrank – den pinkfarbenen Filzstiefeln konnte ich nicht widerstehen.

Erzeugnisse Wollmanufaktur Kuppelwies. Foto: Beate Ziehres

Ein Must-go: Der Laden der Wollmanufaktur Bergauf in Kuppelwies.

Im Nebenraum rattert indessen eine Kardiermaschine des Chemnitzer Maschinenbaubetriebs Erich Hartmann aus dem Jahr 1930. Fünf Ultnerinnen verarbeiten hier ausschließlich Bergschafwolle aus Südtirol. Die fantasievollen Stücke, die unter dem gleichen Dach verkauft werden, entstehen in der Manufaktur – wie der Name vermuten lässt – in reiner Handarbeit.

„Ohne die Frauen wäre das Projekt zum Scheitern verurteilt. Frauen sind kreativer und haben mehr Geduld.“
Wolfgang Raffeiner, Geschäftsführer der Wollmanufaktur „Bergauf“ und Präsident der Sozialgenossenschaft Lebenswertes Ulten

Wollmanufaktur Bergauf Kuppelwies, Geschäftsführer Wolfgang Raffeiner. Foto: Beate Ziehres

Alles wollig! Der Geschäftsführer der Wollmanufaktur Bergauf in Kuppelwies, Wolfgang Raffeiner, erklärt die Arbeitsweise der Sozialgenossenschaft.

Ihr Handwerk, beispielsweise das Filzen, haben die Mitarbeiterinnen in der Ultner Winterschule erlernt.

Winterschule Ulten

Früher haben die Omas auf den Bauernhöfen aus der Wolle der eigenen Schafe Janker gestrickt. Rund 100 Stunden benötigten sie für die traditionelle Wolljacke. In der Winterschule Ulten wird dieses alte Wissen weitergegeben. Sei es die Verarbeitung der Wolle, Kräuterwissen – das Waltraud Schwienbacher teilweise selbst lehrt – oder kreative Arbeit mit heimischen Holzarten.

Kräuterreich Wegleit

Im Kräuterreich Wegleit oberhalb von St. Walburg streiche ich über Zirben-Duftkissen und schnuppere an aromatischen Kräutersalz-Mischungen. „Wir verwenden alles aus dem Baum, beispielsweise Harze und Nadeln. Alles ist in Fülle da, aber nicht für jedermanns Gier“, zitiert Traudl Schwienbacher Mahatma Gandhi. Dieser Haltung – Verantwortung statt Ressourcen-Konsum – begegne ich im Tal noch häufiger.

Ultental, Wegleithof St. Walburg. Foto: Beate Ziehres

(K)ein Hof wie viele andere im Ultental: der Bioland-zertifizierte Wegleithof in St. Walburg ist auf Kräuter spezialisiert.

Genussvolle Wanderung „Über die Almen“

Früh am nächsten Tag besteige ich die Umlaufbahn Schwemmalm. Die Gondel gleitet lautlos über Zirbenwipfel; unten traditionelle Holzschindeldächer und Trockenmauern, oben blauer Himmel und ein Meer aus Almkraut.

Ausgezeichneter Käse auf 2 142 Metern

Zehn Minuten Fußweg später bin ich an der 2142 Meter hoch gelegenen Außer Schwemmalm. Senn Christian begrüßt mich mit Alm-Spritz aus selbst gemachtem Kräutersirup und einem Brett ausgezeichnetem Almkäse.

Käse, Außer Schwemmalm. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Alles ausgezeichneter Käse auf der Außer Schwemmalm.

Alm-Spritz, Außer Schwemmalm. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Echt guat! Hausgemachter Alm-Spritz.

25 Kühe und rund 60 Kälber verbringen den Sommer auf der Schwemmalm. Christian treibt die Milchkühe zweimal täglich zum Melken zusammen. Die Milch wird sofort auf traditionelle Weise zu Käse verarbeitet. „Die Kühe sind den ganzen Tag auf der Alm, das schmeckt man“, lacht er. Christians Käse ist der beste, erwiesenermaßen.

Außer Schwemmalm, Ultental. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Zu früh am Tag: die Außer Schwemmalm liegt noch in den Wolken.

Schwemmalm. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Die Außer Schwemmalm.

Weiter zur Inner Schwemm Alm

Ein gemütlicher Pfad, breit genug für Wanderbus-Fans und Sandalen-Wanderer, führt zur Inner Schwemm Alm (2 098 m). Unterwegs entdecke ich blaublühenden Enzian am sanft murmelnden Gebirgsbach – und vergesse die Zeit. Aber dafür bin ich schließlich hier.

Enzian. Schwemmalm, Ultental. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Entzückender Enzian.

Gebirgsbach, Ultental, Schwemmalm. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Munter plätschert der Gebirgsbach an der Schwemmalm.

Abstieg zum Unterschweighof

Der Weg senkt sich über Blumenhänge, vorbei an alten Berghöfen mit Schindeldächern. Auf 1 700 m riecht es nach geräuchertem Speck: angekommen am Unterschweighof. Der abgelegene Hof ist ein Ferienparadies für Ruhesuchende und Familien.

„Die Kinder der Gäste dürfen mit auf die Weide, beim Melken helfen, oder sie verbringen die Zeit bei den Schweinen, Katzen und Hühnern.“
Bergbauer und Gastgeber Thomas Berger

Thomas Berger, 26, führt mich in den Stall. Hier ist nicht viel los, denn die meisten Kühe sind auf der Weide. Neun Stück selbstgezüchtetes Original Braunvieh liefert Milch für würzigen Bergkäse, der zusammen mit hofeigenem Speck in den vier Ferienwohnungen die Frühstückskörbe füllt. Oma Anna schaukelt das Baby, Katzen blinzeln in der Sonne, Hühner gackern – hier oben ist die Welt in Ordnung.

Unterschweighof, Ultental, St. Nikolaus. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Angekommen auf dem Unterschweighof.

Thomas Berger, Unterschweighof, St. Nikolaus, Ultental. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Jungbauer Thomas Berger zeigt mir den Unterschweighof.

Katzenfamilie. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Der Katzenfamilie gefällt es im Kuhstall des Unterschweighofs.

Ziel der Wanderung: St. Nikolaus

Ein leichter Forstweg bringt mich nach St. Nikolaus. Im Ultner Talmuseum bestaune ich unter anderem Wanderstiefel von Kaiserin Sissi, die einst in Meran zur Kur weilte. Geschichte zum Anfassen.

Häusl am Stein – skurril und fotogen

Mitten auf einer Wiese an der Falschauer thront ein Haus auf einem Felsen – als hätte ein Troll sich sein Traumhaus gebaut. Das „Häusl am Stein“ ist Zeuge, dass es schon früher Naturkatastrophen gegeben hat. Ursprünglich war es Teil einer kleinen Handwerkersiedlung am Bach. Im Jahr 1881 verwandelte sich die Falschauer nach einem verheerenden Unwetter in einen wilden Strom. In der Nacht riss das Wasser alle Häuser mit sich. Mit Ausnahme des sogenannten Sagmeisterhäusls. Und da steht es noch heute – eine Immobilie, die meine Fantasie beflügelt.

Häusl am Stein in St. Pankraz, Ultental. Foto: Beate Ziehres

Das Häusl am Stein thront auf seinem Felsen und trotzte einer gewaltigen Flut.

Ultner Geschmack – Brot, Mohn & mehr

Handgeschütteltes Glück aus der Backstube

Der Duft von frisch gebackenem Brot zieht durch St. Walburg und ich lerne Hannes Schwienbacher kennen. Der Chef der Bäckerei Ultner Brot hat das Ultner Schüttelbrot und das legendäre Südtiroler Roggenlaibchen namens Vinschger weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt gemacht. Seit die würzigen Spezialitäten in Bio-Qualität luftdicht verpackt und lange haltbar auch in deutschen Backwaren-Abteilungen erhältlich sind, füllen Fenchel, Kümmel und Brotklee nicht mehr nur Genießerseelen in Südtirol mit Glück.

Hannes Schwienbacher, Ultner Brot. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Ultner Brot-Chef Hannes Schwienbacher zeigt die Mühle, in der Bio-Getreide direkt vor dem Verbacken frisch gemahlen wird.

Mohnkrapfen & feine Adressen

Im Restaurant Eggwirt (St. Walburg) probiere ich nach einem opulenten Abendessen noch mit Puderzucker bestäubte Mohnkrapfen – eine Ultner Spezialität. Das Gasthaus Bad Überwasser serviert nach traditionellen Rezepten zubereitete, hausgemachte Spinat- und Kaspress-Knödel, dazu gibt’s Heilwasser. Abends genieße ich im Helener Pichl (St. Pankraz) Kräuterrisotto und Zweierlei vom Kalb, dazu Blauburgunder aus dem benachbarten Überetsch. Mehr über die regionale Küche verrate ich bald in einem eigenen Artikel.

Kräuterrisotto im Helener Pichl, St. Pankraz. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Göttlicher 1. Gang: Michael Laimers Kräuterrisotto im Helener Pichl.

Hoteltipps für Best Ager

  • Genießerhotel Alpenhof (St. Walburg): Spa mit Sauna, Aroma-Dampfbad, Massagen; Wildspezialitäten aus eigener Jagd;
  • Gasthaus Bad Überwasser: liebevoll restauriertes historisches Haus, Heilquellen, Heilwasser im eigenen Bad, Kneipp Wiese;
  • Unterschweighof: moderne, gemütliche Ferienwohnungen, Hofprodukte, Familienanschluss;
  • Erlebnishotel Waltershof: Urgemütliche Zimmer mit viel Holz, Hallenbad, Whirlpool, Sauna, türkisches Dampfbad, Yoga und Wandern.

(Mehr Details demnächst in einem eigenen Artikel.)

Ultental, Hotel Alpenhof, Zimmer. Foto: Beate Ziehres

So gemütlich wohne ich im Hotel Alpenhof in St. Walburg. Empfehlung!

Praktische Tipps

  • 📆 Beste Reisezeit: Das Ultental ist ein Reiseziel für das ganze Jahr: vom späten Frühjahr, wenn die Frühblüher bunte Farbtupfen bilden, über den Sommer – ideal zum Wandern, weil nicht so heiß – und den goldenen Herbst – die Zeit zum Torggeln – bis hin zum Winter. Die Saison zum Schifahren und Schneeschuh-Wandern beginnt in Südtirol an Weihnachten.
  • 👗 Einpacken: Zwiebelschichten! Von Mai bis Oktober reichen die Temperaturen von 12 – 25 °C. Feste Schuhe, Windjacke, Sonnenschutz.
  • 🚗 Anreise: Mit dem Auto, dem Motorrad, der Bahn oder mit dem Flugzeug – (fast) alles ist möglich! Meine jüngste Reise nach Südtirol habe ich mit dem Flugzeug unternommen. Mehr dazu im nächsten Abschnitt.
  • ⏱ Öffnungs- und Betriebszeiten: Bitte checke die Öffnungszeiten beispielsweise der Kabinenbahn Schwemmalm oder die Abfahrtszeiten der Wanderbusse auf den Webseiten der Betreiber. 
  • 💶 Preise: Da sich die Preise für Tickets oder Eintrittspreise, beispielsweise für Museen, häufig ändern, lautet auch hier mein Tip, die Preise direkt auf den Webseiten zu checken.

Bequeme Anreise mit SkyAlps – Alpenpanorama inklusive

Stell dir vor, wie die Propeller­maschine durchstartet und schnell Höhe gewinnt. Schneebedeckte Riesen und Bergseen unter dir, Dolomiten­zacken zum Greifen nah, während freundliche Stewardessen Südtiroler Wein servieren und dazu knusprige Snacks aus Ulten reichen. SkyAlps fliegt Bozen mit nur 76 Plätzen an – schnell einsteigen, schnell aussteigen.

Sky Alps Einsteigen. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Ciao, Südtirol! Der Sky Alps Flieger bringt mich in weniger als 2 Stunden zurück nach Berlin.

Sky Alps Getränkeservice. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Einstimmung auf wunderbar entspannte Tage in Südtirol: In der Sky Alps Maschine wird eine Auswahl Südtiroler Weine serviert.

Propellermaschine Sky Alps. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Mit der Sky Alps Propellermaschine über den Alpen: ein ganz besonderes Erlebnis.

Zwischen Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Hannover, Kassel und Bozen liegen bis zu 2 kurzweilige Flugstunden. Nie war ich so schnell und vor allem so entspannt in Südtirol! Bozen erreicht, erwartet mich im sehr familiären Flughafen schon mein Gastgeber aus dem Ultental – Koffer ins Auto, Fenster runter, Urlaub genießen.

Drei Gründe, diesen Artikel zu speichern / teilen

  • Herzlichkeit erleben – Gastgeber, die Aufmerksamkeit und Geschichten schenken.
  • Ruhe und Natur genießen – Almduft, Lärchenwälder, sternenklare Nächte.
  • Inspiration finden – traditionelles Handwerk & Nachhaltigkeit, die Mut machen.
Kühe und Kalb im Ultental. St. Walburg. Foto: Beate ZIehres, Reiselust-Mag

Das Geläute der Kuhglocken ist beruhigende Musik im Ultental.

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