Europa Archive | Reiselust-Mag Reisetipps für Bestager Thu, 12 Dec 2024 16:29:36 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.5.5 https://www.reiselust-mag.de/wp-content/uploads/cropped-Logo-Reiselust-32x32.png Europa Archive | Reiselust-Mag 32 32 Rom, der Vatikan und die Malteser: Skurriles aus der Ewigen Stadt https://www.reiselust-mag.de/rom-vatikan-malteser/ Sun, 17 Nov 2024 22:05:39 +0000 https://www.reiselust-mag.de/?p=6368 Die beiden Rom-Kennerinnen Marie Fröhlich und Sonja Warter haben in der Ewigen Stadt Rom und dem Staat in der Stadt, dem Vatikan, viel Verwunderliches entdeckt. Davon berichten sie hier auf Reiselust-Mag und in ihrem Buch "Schmankerln aus Rom.

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Wusstet ihr, dass in Rom 3 Staaten friedlich nebeneinander existieren? Rom gehört zu Italien – soweit ist die Sache klar. Und dass sich im Herzen der Ewigen Stadt der Vatikan – also ein eigener Staat – befindet, weiß auch jedes Kind. Aber welchen dritten Staat gibt es da noch? Schon mal vom Souveränen Militärorden Malta (SMOM) gehört? Streng genommen ist er zwar nur fast ein eigener Staat, da er über kein eigenes Territorium verfügt. Trotzdem wird er von vielen Ländern als souveräne Entität anerkannt. Interessanterweise befindet sich der Hauptsitz des Malteser-Ordens eben nicht, wie der Name vermuten ließe, auf der Insel Malta, sondern in der italienischen Hauptstadt. Dies ist nur eine von vielen erstaunlichen Geschichten aus Rom.

Auf Besuch bei der Ministerpräsidentin

Aber alles der Reihe nach. Der Regierungssitz Italiens sowie der Amtssitz des Ministerpräsidenten ist der Palazzo Chigi, der direkt an der großen Einkaufsstraße Via del Corso liegt. Früher ging hier der exzentrische Premier Silvio Berlusconi ein und aus, heute die erste Ministerpräsidentin des Landes, Giorgia Meloni. Dennoch ist es vorläufig der Amtssitz des Ministerpräsidenten, denn auch Meloni besteht darauf, als „il presidente del consiglio“ angesprochen zu werden, also als „der Ministerpräsident“. Den prächtigen Palazzo kannst du übrigens besichtigen, nach vorhergehender Anmeldung und gründlichen Sicherheitskontrollen.

Heiraten in Rom

Weniger bürokratisch, dafür umso romantischer geht es am Kapitolhügel zu. Er ist 15 Minuten zu Fuß entfernt und liegt gleich neben der Piazza Venezia. Dort befindet sich der Senatorenpalast und in diesem der Sitz der römischen Stadtregierung. Außerdem wird in besagtem Senatorenpalast geheiratet, was das Zeug hält. Egal ob Römer oder Chinesen, in der prächtigen Sala Rossa werden Hochzeitsträume wahr.

Heiraten in Rom im Senatorenpalast. Foto: Sonja Warter/Marie Fröhlich

Im Senatorenpalast auf dem Kapitolhügel, dem heutigen Rathaus Roms, wird gerne geheiratet.

Und damit auch die Eheträume der Römerinnen und Römer nicht den Bach hinuntergingen, haben sie sich früher streng an einen ganz besonderen Brauch gehalten: Unmittelbar nach der Trauung musste jedes frisch vermählte Paar die Marc-Aurel-Statue im Zentrum des sternförmig angelegten Platzes vor dem Rathaus umrunden. Und zwar ganze siebenmal. Das Problem: Der goldene Marc Aurel musste 1990 witterungsbedingt seinen Platz räumen und ins Museum umziehen. Zwar wurde er durch eine ebenso schöne Kopie ersetzt, doch um diese wollte offenbar kein Hochzeitspaar mehr seine Runden drehen. Ein Zusammenhang mit der gestiegenen Scheidungsrate in der Stadt kann nicht ausgeschlossen werden … (Dies ist übrigens die Kurzfassung einer von 101 witzigen und erstaunlichen Geschichten aus unserem Buch „Schmankerl aus Rom“.)

Marc-Aurel-Statue auf dem Kapitolhügel, Rom. Sonja Warter/Marie Fröhlich

Marc-Aurel-Statue auf dem Kapitolhügel.

Der Vatikan: eine Monarchie mitten in Rom

Mit dem Heiraten wird es im Vatikan wohl eher selten etwas, außer für die Schweizergarde und da erst frühestens ab dem Alter von 25 und nach 5 Dienstjahren. Zu diesem Zweck kommt man aber ohnehin nicht hierher, sondern wohl eher wegen des einzigartigen Ambientes und der Kunstschätze.

Wenn du die Grenze zwischen Rom (also Italien) und dem Vatikan am Petersplatz überschreitest, verlässt du übrigens auch die Demokratie und betrittst mit dem „Staat der Vatikanstadt“ eine Wahlmonarchie. Und zwar eine mit ganz vielen Besonder- und Eigenheiten: Der Vatikan ist zwar ein Staat, allerdings einer, dessen Staatsbürgerschaft man nicht dauerhaft erwerben kann. Sie wird nämlich ausschließlich an Personen verliehen, die im Dienst des Vatikans stehen und nach der Dienstzeit wieder entzogen.

Streng genommen verlässt du sogar die EU, wenn du auf dem Petersplatz dem Papst zujubelst. Es gibt eigene Vatikan-Münzen und die Geldauswahl am Bankomat kannst du, wenn gewünscht, auf Lateinisch treffen. Wichtig: Die Postkarten mit den Briefmarken aus dem Kleinstaat gehören in den gelben vatikanischen Briefkasten und nicht in den roten römischen, wenn sie bei den Lieben zu Hause tatsächlich ankommen sollen.

Briefkasten Vatikan Post. Foto: Sonja Warter/Marie Fröhlich

Briefkasten der Vatikan-Post.

Das Gedränge am Petersplatz ist meistens groß, die Schlange vor der Sicherheitskontrolle am Petersdom lang. Außer du kommst, so wie wir, am Abend hierher, dann, wenn es bereits dunkel ist. Da hat der Petersdom zwar schon geschlossen, aber die grandiose Atmosphäre kannst du fast allein genießen. Glaub uns, der Anblick ist überwältigend!

Petersplatz Rom. Foto: Sonja Warter/Marie Fröhlich

Schaulustige auf dem Petersplatz im Vatikan.

Vatikan bei Nacht. Foto: Sonja Warter/Marie Fröhlich

Leere Stuhlreihen im nächtlichen Vatikan.

Der Vatikan – verstreut in der Ewigen Stadt

Wusstest du, dass zum Vatikan nicht nur das Gebiet hinter den Mauern auf dem Vatikanhügel gehört? Nein, es gibt auch extraterritoriale Gebiete, und zwar mitten in der Stadt und auf dem Land. Mit Letzterem ist unter anderem Castel Gandolfo gemeint, der Ort, in dem die Sommerresidenz der Päpste liegt. Sie ist definitiv einen Besuch wert und kann, seit Papst Franziskus als erster Papst seine Sommer in Rom verbringt, besichtigt werden. Inklusive des päpstlichen Schlafzimmers.

Castel Gandolfo, Papstschlafzimmer. Foto: Sonja Warter/Marie Fröhlich

Päpstliches Schlafzimmer in Castel Gandolfo.

Zu den extraterritorialen Gebieten des Vatikans in Rom gehören die Basiliken San Giovanni in Laterano, Santa Maria Maggiore und Sankt Paul vor den Mauern. Sie alle werden nächstes Jahr, das bekanntlich ein heiliges ist, regen Pilgerzustrom haben.

Sankt Paul vor den Mauern Rom. Foto: Sonja Warter/Marie Fröhlich Innenraum Sankt Paul vor den Mauern Rom. Foto: Sonja Warter/Marie Fröhlich

Der Kotstuhl im Lateran-Palast

Möglicherweise wirst du, solltest du dich im Heiligen Jahr mit Millionen von Pilgern nach Rom wagen, auch den Kotstuhl, den „sedes stercorata“, im zur Basilika gehörenden Lateran-Palast besichtigen können. Okay, vermutlich nur die Kopie, wenn man der Wissenschaft glaubt. Das Original dürfte sich im Pariser Louvre befinden, da Napoleon einen solchen Stuhl aus Marmor – im Glauben, es handle sich um einen Kaiserthron – als Beute mitgenommen hat. Ein weiteren derartigen Stuhl gibt es übrigens in den Vatikanischen Museen. Doch was ist daran so interessant?

Eine Legende besagt, dass ab dem 12. Jahrhundert alle Päpste im Zuge ihrer Inthronisierung in der Lateran-Basilika auf diesem Stuhl mit dem Loch in der Sitzfläche Platz nehmen mussten. Dann sei es angeblich von unten zu einer händischen Inspektion der empfindlichsten Teile des neuen Heiligen Vaters gekommen. Schließlich wollte man sicherzugehen, dass der Papst ein Mann und keine Frau sei. Sobald dies geklärt war, erschallte der Ruf: „Duos habet“ – zwei Stück vorhanden. „Et bene pendentes“ – wohlhängend noch dazu.

Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Die Geschichte ist nicht wahr. Sie wurde irgendwann erfunden und weitererzählt.

Der Stuhl wurde allerdings tatsächlich – mehr oder weniger freiwillig – von den frisch gekürten Päpsten verwendet. Das Ziel: den neuen Päpsten Demut beizubringen. Indem sich das Kirchenoberhaupt auf diesen Stuhl setzte, sollte ihm bewusst gemacht werden, dass er sterblich war und irgendwann verwesen, also zu stinkendem Kot werden würde.

Die Papst-Mosaiken in der Basilika Sankt Paul vor den Mauern

Apropos Tod der Päpste. Auch dazu gibt es eine Legende. Sie betrifft die etwas vom Stadtzentrum entfernt liegende Basilika Sankt Paul vor den Mauern, die ebenfalls zum Vatikan gehört. Für uns ist das auf der Ausfahrtsstraße nach Ostiense errichtete Gotteshaus mit der goldenen Kassettendecke außerdem eine der schönsten und stimmungsvollsten Kirchen Roms. Sie zieht einen richtiggehend in Bann, ein Besuch lohnt sich also schon allein deswegen.

Papst-Mosaiken Sankt Paul vor den Mauern Rom. Foto: Sonja Warter/Marie Fröhlich

Das vorerst letzte Mosaik in der Reihe aller Päpste zeigt Papst Franziskus. Daneben sind noch freie Plätze zu sehen.

Spannendes Detail: Über den Säulen des ganzen Innenraums befinden sich Mosaikporträts aller bisherigen Päpste, von Petrus bis Franziskus. Und genau hier hat die nächste Legende ihren Ausgang. Es heißt, dass das Ende der Welt dann kommen wird, wenn kein Papst-Medaillon dort mehr Platz finden kann. Für Papst Johannes Paul II., der zu seiner Amtszeit eine der letzten freien Stellen ergattert hatte, war dieses Risiko eindeutig zu groß. Und so wurden auf seinen Wunsch hin weitere Porträt-Stellen geschaffen, sodass es Stand heute noch 26 davon gibt. Die Welt ist also – vorläufig – gerettet.

Der Hauptsitz des Malteserordens: gleich neben Buffalo Bill

Aber genug vom Vatikan: Reden wir über den Fast-Staat SMOM, den maltesischen Militärorden. Der hat seinen Sitz im Palazzo Magistrale in der Via dei Condotti 68, unweit der Spanischen Treppe, die übrigens in Wirklichkeit „Scalinata di Trinità dei Monti“ heißt.

Auf dem Weg von der berühmten Treppe zum Palazzo di Malta, wie das Gebäude auch genannt wird, kommst du an einem besonderen Café vorbei: dem Antico Caffè Greco. Es handelt sich dabei um das zweitälteste Café Italiens, das früher der Treffpunkt von Adel, Intellektuellen und Künstlern war. Von Audrey Hepburn bis Prinzessin Diana waren alle da. Und davor noch ein Gast, der nicht ganz hierher passt: 1890 kam Frederick Cody, alias Buffalo Bill, mit einer Gruppe Cowboys im Antico Greco auf einen Kaffee vorbei. Eine Büste von ihm kannst du bis heute besichtigen. Und dabei einen Espresso trinken, der trotz der illustren Gäste nicht nur gut schmeckt, sondern obendrein recht günstig ist.

Antico Caffé Greco in Rom. Foto: Sonja Warter/Marie Fröhlich

Antico Caffé Greco in Rom.

Büste von Buffalo Bill in Antico Caffé Greco, Rom. Foto: Sonja Warter/Marie Fröhlich

Die Büste dokumentiert den Besuch von Buffalo Bill im Antico Caffé Greco in Rom.

Zurück zum Malteser-Orden. Der widmet sich vor allem der medizinischen, sozialen und humanitären Arbeit. Der Palazzo Magistrale in Rom ist der Sitz des Großmeisters sowie der Regierung des Ordens und hat vom italienischen Staat extraterritoriale Rechte verliehen bekommen. Ähnlich wie der Vatikan unterhält er diplomatische Beziehungen zu mehr als 100 Staaten und zur Europäischen Union. Sogar bei den Vereinten Nationen hat er einen Beobachterstatus.

Vor dem Palazzo Magistrale weht die Fahne des Ritterordens mit dem bekannten weißen lateinischen Kreuz auf rotem Grund. Ist der Großmeister im Haus, wird seine persönliche Fahne noch zusätzlich gehisst. Selbstredend haben auch die Autos der Würdenträger ein eigenes Kennzeichen: SMOM. Vom Eingangstor aus kannst du einen Blick auf die im Hof parkenden Ordenslimousinen erspähen.

Blick in den Hof des Palazzo Magistrale. Foto: Sonja Warter/Marie Fröhlich Sitz der Malteser im Palazzo Magistrale. Foto: Sonja Warter/Marie Fröhlich

Noch ein interessantes Detail gibt es: Obwohl es sich um einen männlich dominierten Orden handelt, dürfen – anders als beim Vatikan – Frauen bei der Wahl des neuen Chefs, also des Großmeisters, mitstimmen. Geradezu fortschrittlich, oder?

Ein Blick durchs Schlüsselloch auf dem Aventin

Neben dem Palazzo in der Innenstadt besitzt der Malteser-Orden auch die Villa del Priorato di Malta auf dem Aventin-Hügel, in der sich beachtliche Kunstschätze befinden. Doch für Rom-Fans ist das prächtige Gebäude an der Piazza dei Cavalieri di Malta aus einem anderen Grund interessant: Wenn du einen Blick durch das Schlüsselloch des großen grünen Eingangstores wirfst, dann erwartet dich ein ganz besondere Überraschung. Vor dir taucht die Kuppel des Petersdoms auf, ganz so, als würdest du durch ein Fernglas sehen. Sie erscheint plötzlich ganz nah und wird noch dazu links und rechts von der grünen Hecke, die tatsächlich unmittelbar hinter dem Schlüsselloch liegt, gesäumt. Ein ganz toller Anblick, den du nicht verpassen solltest! Zumindest, wenn nicht gerade renoviert wird und der berühmte Blick durch Bagger und Ähnliches verstellt ist. So ist es uns nämlich bei unserem vorletzten Rom-Besuch ergangen!

Blick vom Aventin. Foto: Sonja Warter/Marie Fröhlich Aventin, Rom. Foto: Sonja Warter/Marie Fröhlich

Wenn du schon mal auf dem Aventin bist, dann empfehlen wir dir noch einen Spaziergang durch den hübschen Orangengarten mit einem herrlichen Blick auf die Ewige Stadt. Außerdem lohnt sich ein Besuch der mystischen Basilica di Santa Sabina, eines der ältesten Gotteshäuser der Roms, die auch als beliebte Hochzeitskirche gilt.

Am Fuße des Hügels, 800 Meter weiter, kommst du beim Circus Maximus an, von wo du deine Rom-Besichtigung bequem fortsetzen kannst.

Erstaunliche Geschichten und witzige Storys

Magst du ungewöhnliche Geschichten und unnützes Wissen? Dann gefällt dir vielleicht unser Buch „Schmankerl aus Rom“. Es ist eine humorvolle Ergänzung zum Reiseführer, perfekt zur Einstimmung auf deine nächste Rom-Reise oder für ein paar Stunden Dolce Vita zu Hause. Lachtränen garantiert, neues Angeberwissen nicht ausgeschlossen!

Mehr dazu findest du auf unserer Website www.urban-storys.com

Alle Bilder: Marie Fröhlich und Sonja Warter

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Stettiner Haff Rundweg – mit dem Fahrrad durch Westpommern https://www.reiselust-mag.de/stettiner-haff-rundweg-fahrrad/ Tue, 16 Jul 2024 12:05:22 +0000 https://www.reiselust-mag.de/?p=6201 Radtour auf dem polnischen Teil des Stettiner Haff Rundwegs – von Stettin nach Swinemünde. Immer dabei: Wasser, wilde Natur, malerische Landschaften und gutes Essen.

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In zwei Tagen von Stettin nach Swinemünde mit dem Fahrrad – oft nahe am Stettiner Haff, manchmal durch atemberaubende Wälder, immer inmitten wunderschöner Landschaft. 130 abwechslungsreiche Kilometer streckt sich der Stettiner Haff Rundweg zwischen Szczecin und Świnoujście. 130 Kilometer Zeit, sich zu verausgaben und zu genießen: das Land, die Leute, die Aussicht, Sonne auf der Haut, Wind im Haar und gutes Essen auf dem Teller.

Stettiner Haff

Bis dato wusste ich über das Stettiner Haff, dass es zwischen Stettin und der Ostsee liegt. Tatsächlich ist das Haff, das manchmal auch Oderhaff oder Pommersches Haff genannt wird, eine Lagune der Ostsee. Die Verbindungen des Stettiner Haffs zur offenen Ostsee bilden um die Inseln Usedom und Wolin herum drei Meeresarme: die Dzwina, die Swine und der Peenestrom. Alle drei gelten als Mündungsarme der Oder, die ihrerseits mit der Mündung ins Stettiner Haff von der Landkarte verschwindet.

Das Stettiner Haff hat eine durchschnittliche Tiefe von nur 3,8 Metern. Die Fahrrinne zwischen Świnoujście (Swinemünde) und Szczecin (Stettin) wird künstlich bei einer Tiefe von 10,5 Metern gehalten. Das Wasser des Stettiner Haffs ist nur leicht salzhaltig. Die Ufer sind meist flach und mit Schilf bewachsen. Eine der wenigen Stellen, an denen es eine Steilküste gibt, liegt bei Lubin.

Stettiner Haff Rundweg. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Stettiner Haff Rundweg.

Café am Aussichtspunkt Grodzisko, Lubin. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Café Grodzisko bei Lubin – ein Ort mit Aussicht.

Seit 1945 verläuft die Grenze zwischen Polen und Deutschland durch das Stettiner Haff. Das Gewässer und seine Uferregionen sind vielfach Naturschutzgebiete, teilweise Nationalparks und ein beliebtes Ziel für Reisende, die Ruhe und Entspannung suchen. Ein wichtiger Wirtschaftszweig rund um das Stettiner Haff ist außerdem der Fischfang.

Stettiner Haff Rundweg und Radweg Blue Velo

Der Stettiner Haff Rundweg, polnisch „Wokół Zalewu Szczecińskiego“, ist ein deutsch-polnischer Radweg, der das Stettiner Haff einmal komplett umrundet. Hier tauchen Radfahrer ein in die zauberhaften Naturlandschaften am Stettiner Haff (Zalew Szczeciński) und am Dąbie See (Jezioro Dąbie). Der östliche Teil des Stettiner Haff Rundwegs ist übrigens deckungsgleich mit dem polnischen Radwanderweg „Blue Velo“.

Auf meiner Reise mit dem Fahrrad von Stettin nach Swinemünde bin ich durch den unendlichen, wogenden Schilfgürtel, durch beeindruckende Wälder mit riesigen Farnen und buntblühende Wiesenblumenfelder gefahren. Ich konnte Seeadler, Hochlandrinder und die ganz besonderen Polnischen Ponys beobachten.

Kiefernwald, Stettiner Haff Rundweg, 2 Radfahrer. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

An dieser Stelle führt der Stettiner Haff Rundweg durch einen herrlichen Kiefernwald mit hohen Farnen.

Radweg Stettiner Haff Rundweg. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Auf dem Radweg Stettiner Haff Rundweg.

Entlang des Weges gibt es überall Rastplätze, die Schutz vor zu viel Sonne und Regen bieten. Aussichtspunkte und Bänke laden dazu ein, den Blick über die spiegelglatte Wasseroberfläche schweifen zu lassen und die Zeit zu vergessen.

2 Frauen blicken aufs Stettiner Haff. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

An vielen Stellen lässt sich die Aussicht aufs Stettiner Haft genießen.

In den Orten am Ostufer des Stettiner Haff finden Radler auf gemütlichen Café-Terrassen oder in Biergärten kalte Erfrischungen, leckeres Eis oder die legendären polnischen Waffeln (Gofry) mit frischen Beeren und Schlagsahne. Ich rieche die frischgebackenen, knusprigen Waffeln schon, wenn ich nur in die Nähe einer solchen Waffelbäckerei komme.

In den Restaurants rund um das Haff kommt traditionell Fisch auf den Tisch. Jeder Ort wartet hier mit besonderen Spezialitäten auf. In Stettin ist es Paprykarz Szczencinski, eine an Tartar erinnernde Mischung aus Fisch, Paprika und Reis. Gegrillter Lachs und Brachse werden mir im Zentrum der Wikinger und Slawen in Wolin serviert, während in Międzyzdroje Heilbutt auf dem Teller liegt.

Der Stettiner Haff Rundweg im Überblick

  • Strecke insgesamt: 296 km
  • Anstiege insgesamt: 826 Höhenmeter
  • Abfahrten insgesamt: 827 Höhenmeter
  • Route geeignet für Familien mit Kindern
  • Anreise per Bahn möglich

Etappe I: von Stettin nach Modrzewie (H2)

Wir starten unsere Radtour von Stettin nach Swinemünde am Ufer des Dąbie-Sees. Hier führt ein neuer Schotterweg immer am Wasser entlang. Überall gibt es Anlegestegs für Kanuten und Kajakfahrer sowie neue, überdachte Rastplätze.

Stettiner Haff Rundweg. Anlegestelle für Kajaks am Dabie-See. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Anlegestelle für Kajaks am Dabie-See nahe Stettin

In der danach folgenden Skelettbucht (Zatoka Szkieletów) gibt es gleich fünf Kajakanlegestellen, bestehend aus Stegen und Holzpavillons. Zwei dieser Anlegestellen können nur vom Wasser aus erreicht werden, die übrigen stehen auch Radfahrern und beispielsweise Inlineskatern offen. Ihren etwas gruseligen Namen hat die Skelettbucht von Seglern erhalten – wohl zum Spaß, denn Skelette sollen hier bisher nicht gefunden worden sein.

Radfahrer, die auf dieser Etappe Erfrischung im Dąbie-See suchen, finden in Bystra bei Czarna Laka einen Sandstrand.

Kurz vor Lubczyna wird es aber doch noch etwas gruselig. Hier liegt im Schilf ein Schiffswrack. Wer will, kann einem Pfad durchs Schilf folgen und das Wrack aus der Nähe erkunden.

Schiffswrack im Schilf, Stettiner Haff. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Schiffswrack am Stettiner Haff Rundweg.

Nach einer Pause am Yachthafen von Lubczyna (dazu im nächsten Abschnitt mehr) taucht am Horizont ein weiteres, weithin sichtbares Wrack auf. Es ist ein Betonschiff. Die monumentale Konstruktion wurde ab 1942 von den Deutschen im heutigen Darłówko (damals Rügenwaldermünde) als Betontankschiff „Ulrich Finsterwalder“ gebaut. Es ist 90 Meter lang, 14 Meter breit und hatte bei einer Seitenwandhöhe von 7,9 Metern einen Tiefgang von 6,5 Metern.

Das Meer hat es gleichwohl nie erreicht. Die „Ulrich Finsterwalder“ wurde zweimal von Bomben getroffen und schließlich auf einem Riff im Peenestrom auf Grund gesetzt. 1970 barg eine Spezialfirma das Hindernis aus der Fahrrinne, entfernte alle Aufbauten und setzte es im seichten Wasser bei Inoujście ab. Manchmal finden Konzerte auf dem Deck statt. Das Publikum sitzt dann auf Booten rund um das gestrandete Schiffswrack.

In Modrzewie endet die Etappe I des Stettiner Haff Rundwegs. Wir halten am örtlichen Dino-Supermarkt an, um ein paar kleine Snacks und Erfrischungen zu kaufen. Denn es geht direkt weiter auf die 2. Etappe.

Etappe I des Stettiner Haff Rundwegs in Zahlen

  • Strecke insgesamt: 43,7 km
  • Anstiege insgesamt: 60 Höhenmeter
  • Abfahrten insgesamt: 79 Höhenmeter

Interessante Orte an Etappe I des Stettiner Haff Rundwegs

Stettin

In Stettin (Szczecin) haben wir uns Zeit genommen für einen ausführlichen Bummel durch die Stadt. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten sind hier zu Fuß zu erreichen. Wir starten in der unteren Stadt am Markt mit den bunten Fassaden und dem alten Rathaus.

Altstadt von Stettin, Polen. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

In der Altstadt von Stettin (Szczecin), Polen.

Fahrräder an der Oderpromenade in Stettin. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Auch in Stettin – hier auf der Oderpromenade – sind Radfahrer willkommen.

Vorbei am Schloss der Pommerschen Herzöge geht es zur Mieczyslaw-Karlowicz-Philharmonie und schließlich zur Hakenterrasse und zur Oderpromenade. Auf dem Rückweg gibt es mit der Jakobskathedrale mehr imposante Backsteinarchitektur und mehr innerstädtisches Grün am Rossmarkt.

Stettin werde ich in Kürze einen eigenen Beitrag widmen.

Marina Lubczyna

Entlang des Stettiner Haff Rundwegs gibt es viele Marinas. Eine davon ist die Marina Lubczyna. Radfahrer finden hier einen schönen, überdachten Picknickplatz mit Grillstelle und einen Übernachtungsplatz mit Toiletten, Duschen und einer Waschmaschine. Für 12 Euro pro Nacht darf man auf der Wiese zwischen den beiden Hafenbecken sein Zelt aufstellen.

Täglich zwischen 12 und 20 Uhr öffnet an der Marina ein kleines Café, das Eis, Waffeln und Kaffee anbietet. Um die Ecke gibt es einen Sandstrand, eine Fahrradreparaturstation mit Selbstbedienung und eine Boots- und Kajakvermietung. Dank zweier Lebensmittelgeschäfte im Ort braucht auch niemand zu verhungern.

Pause an der Marina Lubczyna. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Pause an der Marina Lubczyna.

Kontaktdaten Marina Lubczyna
Adresse: Żeglarska 2, 72-105 Lubczyna
Seite: www.lubczyna.goleniow.pl
Rufnummer: +48 91 419 16 12

Etappe II: von Modrzewie nach Wolin

Weiter geht es in Richtung Stepnica. Nach dem Dorf Kąty biegen wir ab in einen atemberaubend schönen Kiefernwald, in dem mächtige Farne gedeihen. Stepnica eignet sich perfekt für eine kurze Pause. Ein großer, weißer Sandstrand lädt zum Baden ein. Außerdem gibt es hier Cafégärten, in denen Eis und frische Getränke angeboten werden.

Vorbei am Naturschutzgebiet Białodrzew Kopicki erreichen wir Czarnocin. Von hier bis Wolin führt der Stettiner Haff Rundweg auf dem Deich immer am Haff entlang. Immer wieder tauchen kleine, einsame Sandstrände im Schilfgürtel auf. An diesem Tag ist es windstill, das Wasser liegt glatt und verbreitet eine meditative Ruhe.

Stettiner Haff Rundweg. Frau am Strand. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Entspannter Sommernachmittag am Stettiner Haff.

Doch am angespülten Treibgut können wir erkennen, dass das Stettiner Haff auch anders kann und die Deiche ihre Berechtigung haben.

Wir radeln jetzt durch den Naturpark Stettiner Haff, ein Modellgebiet des ökologischen Netzwerks Natura 2000. In der Ferne sehen ich schottische Hochlandrinder grasen und auch die wilden polnischen Ponys leben im Naturpark, der von Wiesen und Weiden geprägt ist.

Auf einer asphaltierten Straße geht es nun bergab nach Wolin, dem Ende der zweiten Etappe des Stettiner Haff Rundwegs und unserem Übernachtungsort.

Etappe II des Stettiner Haff Rundwegs in Zahlen

  • Strecke insgesamt: 46,7 km
  • Anstiege insgesamt: 81 Höhenmeter
  • Abfahrten insgesamt: 80 Höhenmeter

Interessante Orte an Etappe II des Stettiner Haff Rundwegs

Stepnica

Stepnica ist bekannt für den weißen Strand. Der Sand wurde allerdings nicht am Haff angespült, er ist aus Swinemünde importiert.

Seebrücke Stettiner Haff, Stepnica. Foto: Beate Ziehre, Reiselust-Mags

Der Steg mit Bootsanlagestellen führt vom Strand in Stepnica auf das Stettiner Haff hinaus.

Nur einige Schritte entfernt vom Strand mit seinem ausladenden Steg, der auch Anlegemöglichkeiten für Boote bietet, entdecke ich eines der charakteristischsten Gebäude am Stettiner Haff: die Tawerna Panorama. Als „Standhalle Sak“ wurde das Restaurant 1840 erbaut. Holz mit originellen und in Westpommern einzigartigen Verzierungen prägt die Fassade. Das Innere des Lokals soll im nautischen Stil gehalten sein. Übrigens sind hier auch Radfahrer zum Übernachten willkommen.

Stepnica, Panorama Schänke. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Beeindruckendes Gebäude: die Tawerna Panorama.

Wolin – Zentrum der Wikinger und Slawen

Wolin liegt am Westufer der Dziwna auf der gleichnamigen Insel. Wolin ist zugleich die größte polnische Insel. Wir nähern uns dem Ostufer der Dzwina von Süden und genießen die Silhouette von Wolin mit der Stiftskirche St. Nikolaus bis zum nächsten Morgen. Eine überaus holprige Kopfsteinpflasterstraße führt zu unserem heutigen Etappenziel: dem Zentrum der Wikinger und Slawen, das auf einer eigenen kleinen Insel liegt.

Stettiner Haff Rundweg, Wolin, Foto: Beate ZIehres

Die Stiftskirche St. Nikolaus in Wolin über die Dziwna hinweg vom Zentrum der Wikinger und Slawen aus gesehen.

Arek, ein waschechter und kampferprobter Wikinger, heißt uns willkommen und zeigt uns unsere Hütten für die Nacht. Später empfängt er uns in seinem Haus an der Feuerstelle und bewirtet uns mit Köstlichkeiten aus der Zeit der Wikinger und Slawen.

Essen wie die Wikinger. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Abendessen im Wikinger-Stil – da bleiben keine Wünsche offen.

Es ist der Tag vor Mittsommer und noch hell, als wir Arek eine geruhsame Nacht wünschen. Ich bin verzaubert vom pastelligen Licht und streune noch etwas zwischen den Hütten herum, bevor ich mich völlig überwältigt von den Eindrücken dieses Tages hinlege.

Zentrum der Wikinger und Slawen, Wolin. Übernachtungsmöglichkeiten. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

In diesen kleinen Ferienhäuschen übernachtet man beim Zentrum der Wikinger und Slawen in Wolin.

Etappe III: von Wolin nach Swinemünde

Am nächsten Morgen sitzen wir wieder im Sattel – autsch! – und passieren nun die Dziwna. In Wolin nehmen wir einen kleinen Umweg, um einen neuen Baumwipfelpfad im Park Miejskiego südlich von Wolin zu besteigen. Ein absolut empfehlenswerter, dazu kostenloser Abstecher. Die Aussicht auf das Stettiner Haff und die Dziwna, die hier ihren Anfang nimmt, ist grandios.

Stettiner Haff Rundweg. Hier im Stettiner Haff nimmt die Dziwna ihren Anfang: Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Blick auf das Stettiner Haff und die rückwärtige Mündung der Dziwna.

Schließlich radeln wir an einer Windmühle vorbei über bunt blühende Wiesen ans Stettiner Haff. Nach einer Weile biegt der Schotterweg ab in Richtung Wald. Wir gelangen in den südlichen Teil des Nationalparks Wolin (Woliński Park Narodowy) und fahren durch beeindruckende Buchenwälder. Sie sollen den ehemals hier beheimateten Urwäldern sehr ähnlich sein.

Buchenwald im Nationalpark Wolin. Foto: Krzysztof Zablocki

Buchenwald im Nationalpark Wolin. Foto: Krzysztof Zablocki

In Lubin verlassen wir abermals den Stettiner Haff Rundweg, um einen lohnenswerten Abstecher zu machen. Der Aussichtspunkt Grodzisko Lubin will erst einmal erklommen werden. Der Weg führt steil bergauf. Am Kassenhäuschen ist für die Räder Endstation. Zu Fuß geht es auf die Klippe, auf der sich die Reste einer Festung aus dem 12. Jahrhundert befinden.

Die Aussicht von hier auf das rückwärtige Delta der Swina mit 44 sumpfigen Inseln und Inselchen ist atemberaubend. Das sogenannte „Land der 44 Inseln“ ist ebenfalls Bestandteil des Woliński Nationalparks.

Stettiner Haff, Land der 44 Inseln, Lubin

Bei Lubin überblickt man von der Klippe Grodzisko das sogenannt „Land der 44 Inseln“ im Stettiner Haff.

Schon auf dem Weg zur Klippe steigt am Café der Duft von frischgebackenen Waffeln in meine Nase. Da kann ich auf keinen Fall „Nein“ sagen! Sie ist köstlich knusprig und eine klare Empfehlung!

Waffel mit Beeren und Banane. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Lecker! Knusprige Waffel mit gemischtem Obst und Sahne.

Von hier aus ist es nicht mehr weit nach Międzyzdroje. Nach einem Mittagessen und einem Bummel durch den quirligen Kurort geht es weiter nach Swinemünde. Der Weg führt nun am Rande einer Düne entlang – mit Blick auf den Strand und die Ostsee. Nach einer Passage durch den Wald ist mit Swinemünde das Ziel der 3. Etappe erreicht. Radfahrer überqueren die Swina traditionell mit einer Fähre, um von der Insel Wolin auf die Insel Usedom und in die Innenstadt von Swinemünde zu kommen.

Etappe III des Stettiner Haff Rundwegs in Zahlen

  • Strecke insgesamt: 37,5 km
  • Anstiege insgesamt: 164 Höhenmeter
  • Abfahrten insgesamt: 168 Höhenmeter

Interessante Orte an Etappe III des Stettiner Haff Rundwegs

Międzyzdroje

Der Kurort Międzyzdroje (Misdroy) bietet alle Annehmlichkeiten, die man in einem Ostseebad erwartet: feinsandiger, weißer und endlos langer Strand, eine Seebrücke mit Gelegenheit, Eis zu essen, einen Drink zu nehmen oder zu einer Rundfahrt mit den weißen Adler-Schiffen zu starten und eine Strandpromenade. Der Zugang zur Seebrücke gleicht einem riesigen verglasten Pavillon mit viel Gastronomie und bombastischen Torten am Angebot.

Seebrücke Międzyzdroje (Misdroy) Polen. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Auf der Seebrücke in Międzyzdroje an der polnischen Ostsee.

In guter Erinnerung bleibt mir das Mittagessen im Café und Restaurant „Kredens“. Der Name lehnt sich an das alte deutsche Wort „Kredenz“ an. Das „Kredens“ gehört Bogusław Mamiński und seiner Frau Beata Mamińska. Der zweimalige Olympiateilnehmer ist mehrfacher polnischer Meister im 3000-Meter-Hindernislauf.

In stilvollem Ambiente kredenzt man uns eine wirklich große Schale der besten Gemüsecremesuppe, die ich jemals gegessen habe. Danach bin ich eigentlich schon satt. Aber das Hauptgericht lässt nicht lange auf sich warten: Heilbutt-Steak mit einem bunten Salat und Kartoffelspalten. Ebenfalls sehr lecker!

Suppe im Restaurant "Kredens" in Misdroy (Polen). Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Heilbutt-Steak, "Kredens", Misdroy, Polen. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Terrasse des Restaurant "Kredens". Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Swinemünde

Świnoujście (Swinemünde) markiert den östlichsten Punkt der Insel Usedom und ist das westlichste der polnischen Ostseebäder. Die westliche Stadtgrenze ist zugleich die Landesgrenze, das Kaiserbad Ahlbeck ist Swinemündes Nachbarstadt.

Während jedoch Ahlbeck mit der ältesten Seebrücke Deutschlands auftrumpft und seine glanzvollste Zeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebt hat, schlürft in Swinemünde das junge Publikum in chromblitzender, kühler Atmosphäre Austern und Cocktails.

Doch es geht auch weniger mondän. Wir haben die Mittsommernacht mit einem erfrischenden Fußbad in der Ostsee und Wein am Strand gefeiert.

Stettiner Haff Rundweg, Swinemünde, Luxushotels. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Swinemünde, Polen, Beate Ziehres mit den Füßen im Meer. Foto: Heidi Diehl

Zuvor hatten wir die wichtigsten Sehenswürdigkeiten Swinemündes mit dem Fahrrad erkundet. Mein Lieblingsort war zweifellos die Mühlenbake (Stawa Mlyny), die als Wegzeichen für Schiffe auf einer Mole steht. Die weiße Mühle markiert die Hafeneinfahrt und die Mündung der Swine.

Stettiner Haff Radweg, Swinemünde, Mühlenbake. Foto: Beate ZIehres, Reiselust-Mag

Mühlenbake in Swinemünde.

In Świnoujście finden zwei erlebnisreiche, intensive Tage einen würdigen Abschluss. Am Stettiner Haff habe ich wunderschöne Landschaften entdeckt, staunenswerte Orte und kulinarische Köstlichkeiten. Der polnische Teil des Stettiner Haff Rundwegs ist eine echte Genießer- und Entdeckerroute und schon jetzt steht für mich fest, dass ich hierher zurückkehren werde. Vielleicht mit dem Boot, um das Haff paddelnd zu erkunden. Und sicherlich mit dem Fahrrad.

Wichtiger Begleiter: Fahrrad-App „Pomorze Zachodnie“

Denn schon vor der Abfahrt nach Polen habe ich mir die Fahrrad-App „Pomorze Zachodnie“ heruntergeladen. Sie ist kostenlos in den App Stores oder über die dazugehörige Webseite erhältlich. Die App informiert detailliert über Streckenverlauf, Sehenswürdigkeiten und Praktisches am Wegesrand. „Pomorze Zachodnie“ gibt es in vier Sprachen, darunter auch in Deutsch. Die App vereint 1100 Kilometer Fahrradrouten in Vorpommern und mehr als 4000 Sehenswürdigkeiten unter ihrem „Dach“.

Eine weitere Route aus der App steht schon auf meiner Liste: Die Route „Velo Baltica“ führt immer an der Ostsee entlang von Swinemünde nach Elbląg. Sie ist der westpommersche Teil zweier internationaler Fahrradrouten: des Eurovelo 10 (Ostsee-Radweg) und des Eurovelo 13 (Iron Curtain Trail). Als Ostsee-Fan reizt mich besonders die Aussicht, an einsame Ostseestrände zu kommen, die im Grunde nur für Radfahrer zugänglich sind.

In meinem Beitrag „Leba – Urlaub an der polnischen Ostsee“ lernt ihr die Sehenswürdigkeiten in und um den hübschen Badeort Leba kennen.

Alle Fotos, sofern nicht anders vermerkt: Beate Ziehres

Pressereise. Vielen Dank für die Einladung und die Organisation an das polnische Fremdenverkehrsamt in Berlin und an die Tourist Information in Szczecin.

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Jahresrückblick 2023: von Schweden bis zu den Kanaren und eine Reise zu mir selbst https://www.reiselust-mag.de/jahresrueckblick-2023/ Tue, 26 Dec 2023 19:36:50 +0000 https://www.reiselust-mag.de/?p=5832 Mein persönlicher Jahresrückblick 2023 – mit neu entdeckten Plätzen zum Überwintern, frischen Sommerzielen sowie liebenswerten Orten mit Charme und Geschichte.

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Schon wieder ist die Zeit gekommen, um das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen. Für mich bedeutet das in erster Linie, an schöne Erlebnisse zurückzudenken und an Orte, die einen bleibend guten Eindruck bei mir hinterließen. Habe ich 2023 Städte oder Landschaften entdeckt, die in Zukunft eine Rolle in meinem Leben spielen könnten? Definitiv! Aber: Ich habe im vergangenen Jahr auch eine Reise zu mir selbst gemacht. Mein Jahresrückblick 2023 ist also ein Reiserückblick in jeder Hinsicht.

Hier lest ihr, welche Orte zum Überwintern ich im Jahr 2023 erkundet habe. Lernt Orte mit Geschichte kennen, charmante Städte und erfahrt, wo ich am liebsten – so auch in 2023 – meinen Sommerurlaub verbringe. Und am Ende meines persönlichen Jahresrückblicks 2023 teile ich zudem meine Ziele und Vorhaben für 2024 mit euch.

Das hatte ich mir für 2023 vorgenommen

Eigentlich bin ich mit nur einem Vorsatz ins Jahr 2023 gestartet. Ich wollte wieder in Form kommen. Die erste Maßnahme – Training im Fitnessraum eines Sportvereins – blieb leider erfolglos. So kam ich auf die Idee, mich erstmals in meinem Leben coachen zu lassen.

Ein kleines Ziel am Jahresanfang war, meine Haare abschneiden zu lassen. Außerdem begleitete mich auch 2023 die bisher unausgesprochene Suche nach Orten, an denen ich gerne leben und insbesondere überwintern möchte. Es ist nämlich so, dass ich den deutschen Winter nicht besonders schätze – zumindest meistens. Da hat auch der Einbau einer Infrarotkabine im Keller meines Hauses nur wenig Abhilfe geschafft.

Das ist aus meinen Zielen geworden

  • In Form kommen: Schon lange vor dem Ende des sechsmonatigen Coachings war mir klar, dass ich selten eine wirksamere Entscheidung getroffen habe. Ja, ich habe Zeit investiert für Fitnesseinheiten, tägliche Bewegung und Bücherlesen. In relativ kurzer Zeit hatte ich fast alle ursprünglichen Ziele erreicht und noch Einiges mehr. Heute weiß ich: Mit entsprechender Strategie und Engagement kann ich alle Ziele erreichen, die ich erreichen will. Und so starte ich auch mit klaren Zielen ins kommende Jahr. Dazu später mehr.
  • Haare abschneiden lassen: Haken dran. Im Frühjahr 2023 war die rote Mähne Geschichte und ich fühlte plötzlich Energie für weitere Veränderungen in mir.
  • Orte zum Überwintern finden: Diesem Dauerziel waren in 2023 zwei Reisen gewidmet. Tatsächlich habe ich vier Orte entdeckt, die sich anbieten, um im Winter der feuchten Kälte zu entfliehen.
Beate Ziehres, Malmö, Lilla Torg. Foto: Bernd Ewert

Den Abend genießen am Lilla torg in Malmö. Foto: Bernd Ewert

Mein Reiserückblick 2023

Langfristige Reiseplanungen sind nicht mein Ding. Ich liebe es, spontan aufbrechen zu können – wenn das Wetter schön ist, ich eine Idee habe oder ein spannendes Angebot bekomme. So entschieden wir uns im Januar sprichwörtlich in der letzten Minute für eine Kanaren-Kreuzfahrt.

Beim Rückblick auf das Reisejahr 2023 habe ich vier Vorlieben ausgemacht, an denen sich meine Reiseplanungen häufig orientieren. Im Winter suche ich meist die Wärme und im Sommer Ziele, die Erfrischung versprechen. Städte mit einem gewissen Charme begeistern mit grundsätzlich, ebenso Orte mit Geschichte.

Orte zum Überwintern

Die Kanaren-Kreuzfahrt mit der AIDA Nova hat meinem Lebensgefährten so gut gefallen, dass wir im November gleich wieder an Bord gegangen sind. In Hamburg sind wir mit der AIDA Prima in Richtung Mallorca gestartet. Auf beiden Kreuzfahrten haben wir Orte entdeckt, die mir zum Überwintern geeignet erscheinen.

Madeira

Die portugiesische Insel im Atlantik liegt näher bei Marokko als beim europäischen Festland und wird auch die Insel des ewigen Frühlings genannt. Im Winter beträgt die Durchschnittstemperatur 16 Grad, im Sommer etwa 23 Grad. Wir haben in Funchal die Markthallen besucht und sind dann mit dem Taxi nach Monte gefahren. Auf kurzer Strecke führt hier eine Serpentinenstraße von Meereshöhe auf 600 bis 800 Meter. Oben besuchten wir den tropischen Garten Monte Palace – ein absolutes Muss für Gartenfreunde. Für den Rückweg haben wir die Seilbahn genommen und noch einmal ganz andere Ansichten und die Aussicht genossen. Unser Fazit nach einem Tag auf der Insel: Hier lohnt sich auf jeden Fall ein längerer Aufenthalt.

Tropischer Garten Monte Palace bei Funchal, Madeira. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Tropischer Garten Monte Palace, Funchal, Madeira. Foto: Bernd Ewert

Teneriffa

Für die spanische Kanaren-Insel Teneriffa hatten wir ebenfalls nur einen Tag Zeit. Hier entschieden wir uns nach einem kurzen Bummel durch Santa Cruz de Tenerife, einen Ausflug in die alte Inselhauptstadt San Cristóbal de La Laguna zu machen. Dafür nahmen wir die Straßenbahn, die zwischen den beiden nahezu aneinandergewachsenen Städten verkehrt.

La Laguna liegt auf 550 Metern Höhe. Daher ist es hier etwa 4 Grad kälter als in Santa Cruz – ein Umstand, der uns im Januar zusammen mit einem frischen Wind etwas unangenehm aufgefallen ist. Trotzdem habe ich La Laguna als charmante Stadt mit einer hübschen Altstadt, netten Boutiquen und ausgefallenen Cafés in Erinnerung behalten.

Skulptur in Erinnerung an Papst Johannes Paul II, Iglesia La Concepción, La Laguna, Teneriffa. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Garten der Kirche La Concepción in La Laguna (Teneriffa) mit einer Skulptur Johannes Paul II.

Lanzarote

Die Vulkaninsel Lanzarote liegt nur 125 Kilometer vor der Küste Marokkos. Das Wetter war am Tag unseres Besuchs wechselhaft: mal sonnig warm, mal bewölkt und frisch, mal nass. Aber: In Arrecife hat mein Lebensgefährte im Januar im Meer gebadet – das einzige Mal während dieser Reise.

Mir hat in Arrecife der idyllische Fischerhafen am besten gefallen. Aber auch in der Stadt gab es interessante versteckte Winkel. Nach Lanzarote will ich unbedingt noch einmal zurückkehren, mit viel Zeit für die bizarre Vulkanlandschaft, aber auch zum Baden.

Beate Ziehres, Arrecife, Lanzarote. Foto: Bernd Ewert

Am Fischerhafen von Arrecife auf Lanzarote. Foto: Bernd Ewert

Cádiz, Spanien

Im November brachte uns die AIDA Prima in die spanische Stadt Cádiz. Cádiz liegt in Andalusien und an der Costa de la Luz. Hier haben wir bei Flamenco-Klängen vor der Kulisse des ehemaligen Badehauses Balneario de la Palma am Sandstrand gechillt. An dieser Stelle wurden die Eingangsszenen des James-Bond-Streifens „Stirb an einem anderen Tag“ mit Halle Berry und Pierce Brosnan gedreht. Doch das war nur ein kleiner Teil eines herrlichen Tages in einer wunderschönen Stadt.

Ihr merkt schon: Cádiz hat mir sehr gut gefallen. T-Shirt- und Rock-Temperaturen im November und eine angenehme Atmosphäre haben dazu beigetragen, dass es die Stadt auf meine Liste der Favoriten für einen Aufenthalt im Winter geschafft hat. Vom Sonnenuntergang ganz zu schweigen.

Cadiz, Andalusien, Spanien. Kathedrale. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Die Kathedrale von Cádiz in Andalusien (Spanien) im Schein der untergehenden Novembersonne.

Städte mit Charme

Immer wieder entdecke ich auf meinen Reisen weltweit Städte, die mich aus den unterschiedlichsten Gründen einfach ansprechen. Das war auch dieses Jahr so. Hier denke ich insbesondere an

  • A Coruña – eine Hafenstadt im äußersten Nordwesten Spaniens, gerne aufgrund der verglasten Balkone auch „Stadt aus Glas“ genannt. Hier erlebten wir in der Dunkelheit vor dem historischen Leuchtturm „Herkules“ magische Minuten, an die ich mich lange erinnern werde.
  • Gijón – nordspanische Hafenstadt in der Provinz Asturien und am Golf von Biskaya. Die Stadt hat mich mit ihrer hübschen Altstadt, fotogenen Ansichten und dem schönen Strand San Lorenzo in ihren Bann gezogen.
  • Łódź – viertgrößte Stadt Polens, bis 1989 Industriestadt. Heute zieht in die riesigen Backsteinkomplexe der Baumwollspinnereien und Textilfabriken neues Leben ein. Mich faszinieren in Lodz die Aufbruchsstimmung und das harmonische Miteinander von Alt und Modern.
  • Malmö – drittgrößte Stadt Schwedens, im Süden des Landes am Öresund gelegen. Malmö wird geprägt durch sehr moderne Stadtteile, die beispielsweise auf dem Gelände einer ehemaligen Werft entstanden sind. Gleichzeitig lockt der Lilla Torg mit seinen alten Fachwerkhäusern insbesondere am Abend viele Menschen an. Mir gefallen in Malmö die multikulturelle Gesellschaft und die überall sichtbaren internationalen Einflüsse.
  • Warschau – Hauptstadt von Polen. Geschichtsträchtig und modern zugleich. Atemberaubend, mondän, überwältigend. Diese Stadt muss ich mir in aller Ruhe anschauen und dafür mindestens eine Woche einplanen.
Leuchtturm Herkules von A Coruna an der nordwestlichsten Spitze der iberischen Halbinsel. Foto: Beate Ziehres Gijon, Asturien, Spanien. Foto, Beate Ziehres, Reiselust-Mag. Lodz Manufaktura. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Turning Torso in Malmö, Stadtteil Västra Hamnen. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag
Warschau, Polen, Altstadtmarkt. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Altstadtmarkt in Warschau, Polen.

Erfrischende Sommerziele

Natur soweit das Auge reicht und herrlich klare Luft – solche Ziele fasse ich gerne im Sommer ins Auge. In diesem Jahr haben wir den Juli in Südschweden verbracht und davon die meiste Zeit auf Öland. Bei der Auswahl des Urlaubsortes habe ich mir einige Mühe gegeben. Es sollte einen schönen Meeresstrand geben, viele Sonnenstunden und auch ein paar Sehenswürdigkeiten. Und es sollte nicht so weit im Norden sein. So landeten wir auf der Insel Öland, genauer gesagt in Böda.

Öland (Südschweden)

In Böda auf Öland liegt einer der schönsten Strände Schwedens, ein wahrer Traumstrand. Weißer, puderzuckerfeiner Sand soweit das Auge reicht und glasklares, seichtes Wasser. Dazu hatten wir eigentlich jeden Tag Sonne, während der Himmel in Deutschland wochenlang nur Wasser ausschüttete.

Öland bietet einzigartige Landschaften, die wir zum Teil mir dem Fahrrad erkunden konnten, und einige „echte“ Sehenswürdigkeiten.

Leuchtturm Lange Erik bei Byxelkrok, Öland. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Am nördlichsten Zipfel von Öland sorgt der Leuchtturm „Langer Erik“ für sichere Seewege.

Seen in Brandenburg

Als Paddler haben wir diesen Sommer wieder einige Wochenenden an brandenburgischen Seen verbracht. Ja, auch hier gibt es abgeschiedene Fleckchen, die eine Reise wert sind. 2023 haben wir den Springsee in Storkow (Landkreis Oder-Spree) und den Bützsee im Fehrbelliner Stadtteil Wustrau-Altfriesack (Landkreis Ostprignitz-Ruppin) entdeckt.

Springsee in Brandenburg. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Vom Bützsee mit dem Kanu auf dem Weg zur Fischerei Pfefferkorn. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Orte mit Geschichte

Habe ich schon einmal erwähnt, dass ich es liebe, in die Vergangenheit zu reisen? Mein Lebens- und Reisegefährte kennt dieses Steckenpferd zur Genüge. Wo immer ich hinkomme – mein erster Weg führt in die Altstadt. Kälte, Regen und sonstige Unannehmlichkeiten sind sofort vergessen,  wenn es irgendwo Fachwerkhäuser und pittoreske Kopfsteinpflaster-Gassen gibt.

Da gab es in 2023 einige Highlights:

Honfleur in der Normandie

Unsere November-Kreuzfahrt führte unter anderem in die Normandie. Ich hatte bisher weniger gute, verschwommene Erinnerungen an die Bretagne, die in meiner Jugendzeit wurzeln, zum Anlass genommen, den Norden Frankreichs in meinen Reiseplanungen auszuklammern. Ein Fehler, wie ich heute weiß. Nur durch Zufall haben wir Honfleur entdeckt.

Dem Fischerstädtchen mit den bunten Fachwerkhäusern, der Seemannskirche aus Holz und dem pittoresken Hafen werde ich einen eigenen Blogpost widmen und sicherlich einen weiteren Besuch abstatten. Deshalb hier nur kurze Impressionen.

Honfleur Hafen, Frankreich. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Honfleur, Normandie, Frankreich. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Naumburg

Ein Auftrag führte mich im August nach Naumburg. Ich nahm den Besuch zum Anlass, die mittelalterliche Domstadt an der Saale besser kennenzulernen und auch Stadtteile zu erkunden, die ich bisher nicht kannte. Außerdem holte ich im UNESCO-Weltkulturerbe Naumburger Dom die Turmbesteigung nach, die ich bei meinem ersten Besuch wegen Gewitters abbrechen musste.

Marktplatz Naumburg, Sachsen-Anhalt. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Marktplatz in Naumburg, Sachsen-Anhalt.

Quedlinburg

Die Welterbestadt Quedlinburg liegt nördlich des Harzes in Sachsen-Anhalt und damit gewissermaßen vor meiner Haustür. Trotzdem geht mir immer wieder das Herz auf, wenn ich durch die kopfsteingepflasterten Gassen bummele. In Quedlinburg – seit 1994 UNESCO Weltkulturerbe – sind mehr als 2000 Fachwerkhäuser aus acht Jahrhunderten erhalten.

Welterbestadt Quedlinburg, Sachsen-Anhalt. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Brunnen „Münzenberg Musikanten“ auf dem Marktplatz der Welterbestadt Quedlinburg.

Thront auf dem Berg noch eine Burg, eine Festung oder ein mittelalterliches Kloster, dann ist mein Reiseglück perfekt. Dies war 2023 einige Male der Fall.

Alcazaba in Málaga

Die Alcazaba ist eine maurische Festung oberhalb von Málaga in Südspanien. Ich muss zugeben, dass ich der Palastanlage in Anbetracht der Kürze unseres Besuchs einige Zeit gewidmet habe. Es gibt doch nichts Schöneres, als zwischen den alten Mauern umherzustreifen und versteckte Innenhöfe und Gärten zu entdecken!

Die Alcazaba geht auf einen Maurensultan zurück, der die Burg im 11. Jahrhundert errichtete. Und so muten nicht nur der Name, sondern auch die Bauweise und viele architektonische Details orientalisch an.

Alcazaba – Burg von Malaga. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Burganlage Alcazaba in Málaga.

Burg Falkenstein im Harz

Die mittelalterliche Burg Falkenstein ist eine Burg wie aus dem Bilderbuch. Ich habe sie während einer Pressereise ins südliche Sachsen-Anhalt kennengelernt. Bei einem deftigen Mittagessen erzählte uns der Wirt der Burgschänke, dass die im 12. Jahrhundert erbaute Burg niemals erobert wurde. Ein sagenumwobener Familienschatz der Asseburger, die von 1437 bis nach dem Zweiten Weltkrieg Besitzer der Burg waren, wurde erst 1990 auf der Burg Falkenstein wiedergefunden.

Die Burganlage mit Kernburg, Tor- und Zwingeranlagen, Bergfried und Vorburgen ist heute eines der beliebtesten Ausflugsziele im Harz und Bestandteil der Straße der Romanik.

Burg Falkenstein im Harz. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Bilderbuch-Burg Falkenstein im Selketal.

Marienkirche in Marienhafe

Eine Kirche, die berüchtigten Seeräubern als Fluchtburg gedient haben soll, entdeckten wir in Ostfriesland. Genauer gesagt im beschaulichen Marienhafe. Ich kannte Marienhafe bisher nur dem Namen nach und hätte den Ort keinesfalls in Niedersachsen vermutet. Des Öfteren kommt der Pirat Klaus Störtebeker auf der Freilichtbühne von Ralswiek auf Rügen auf Marienhafe zu sprechen. Kein Wunder, schließlich war Frauke, Störtebekers Geliebte und Tochter von Häuptling ten Brok, in Marienhafe zuhause.

Tatsächlich erkannte ich in der trutzigen Marienkirche mit dem mächtigen Turm das Vorbild für eine Kulisse der Störtebeker-Festspiele wieder. Und ich ließ es mir nicht nehmen, die ausgetretenen Stufen im Turm nach oben zu nehmen. Gewissermaßen auf den Spuren des legendären Seeräubers kletterte ich bis auf die luftige Aussichtsplattform, um den Blick zu der Stelle schweifen zu lassen, wo die Piratenschiffe dereinst im Hafen gelegen haben müssen.

Marienkirche Marienhafe. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Turmtreppe der Marienkirche in Marienhafe. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Meine 3 liebsten eigenen Blogartikel des Jahres

2023 in Zahlen

  • 7 bereiste Länder
  • 35+ bereiste Orte
  • 8 Blogposts
  • 3,65 Mio. Page Impressions
  • 50.000 Klicks aus Google

Meine Ziele für 2024

  • Drei neue Länder und einen neuen Kontinent bereisen: Obwohl Asien nicht ganz neu für mich ist, stehen hier einige Ziele ganz oben auf meiner Liste. Sei es nun der Oman oder Vietnam – meiner Ansicht nach ist Asien so vielfältig wie kaum ein anderer Kontinent. Außerdem will ich in diesem Jahr ein neues afrikanisches Land bereisen.
  • Mindestens zwei neue Blogposts im Monat auf Reiselust-Mag veröffentlichen: Ich will endlich die lange Liste der Themen abarbeiten, die ich schon ewig mit den Worten kommentiere „Darüber wollte ich schon lange geschrieben haben.
  • Die Reichweite von Reiselust-Mag vergrößern: Dies möchte ich beispielsweise durch die Nutzung von Pinterest erreichen.
  • Stärker auf Leserschaft und Zielgruppe fokussieren, indem ich zielgruppenrelevante Themen aufgreife.
  • Blog Business erweitern: Ich möchte erreichen, dass mein Blog mehr Gewicht in meinem Einnahmenmix erhält.
  • Fokus auf Kategorien „Essen und Trinken“ sowie „Wellness“: Diese Themen habe ich eine Weile vernachlässigt, deshalb ist es an der Zeit, hier neue Impulse zu setzen.
  • Themenspektrum erweitern: Ich habe schon Ideen für ein oder zwei neue Kategorien, die ich jedoch hier noch nicht verraten werde.

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Trüffelsuche und Olivenernte – kulinarische Erlebnisse in Umbrien https://www.reiselust-mag.de/umbrien-trueffelsuche-olivenernte/ https://www.reiselust-mag.de/umbrien-trueffelsuche-olivenernte/#comments Tue, 21 Nov 2023 11:11:45 +0000 https://www.reiselust-mag.de/?p=5811 Die italienische Region Umbrien ist das ideale Reiseziel für Feinschmecker. Hier treffen sich kulinarische Aktivurlauber zur Trüffelsuche, zur Olivenernte oder um Wein-Spezialitäten zu entdecken.

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Umbrien ist die weniger berühmte, aber ebenso schöne Schwester der Toskana. Die Region zwischen Lago Trasimeno und den Sibillinischen Bergen wird auch das grüne Herz Italiens genannt. Weinberge, Olivenhaine, liebliche Täler, aber auch urtümliche Wälder und schroffe Berge prägen die Landschaft. Umbrien ist bekannt für mittelalterliche Städte wie Perugia und Assisi – und für kulinarische Genüsse. Ein besonderer Schatz – Trüffel – liegt unter der Erde verborgen, weitere wachsen auf Bäumen beziehungsweise an Reben. Ich spreche von Oliven und Trauben.

Auf Trüffelsuche in Città di Castello

Die Lust auf gutes Essen hat mich nach Umbrien geführt, genauer gesagt in die Villa La Rogaia. Ich bin eingeladen zu einem Kochkurs mit der legendären Mamma Ornella. Am letzten Tag des Kurses, einem sonnigen Oktobertag, bleibt die Küche in La Rogaia kalt. Wir brechen auf nach Città di Castello, einer Stadt ganz im Norden Umbriens – zur Trüffelsuche.

Am Tor eines Zauns, der einen lichten Wald umfasst, warten Cecilia Fabrizio, Maurizio Bianconi und Trüffelhund Nerina auf uns. Ohne Nerina und ihre feine Nase – soviel wird schnell klar – würden die schwarzen Schätze der Natur auf ewig unter der Erde verborgen bleiben.

Umbrien Trüffelsuche Tartufi Bianconi. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Auf geht’s zur Trüffelsuche.

Den Privatwald des Unternehmens Tartufi Bianconi prägen Haseln, Eichen und Kastanien. Dieser einzigartige Lebensraum ist der ideale Ort für Trüffel, denn sie wachsen in Symbiose mit den Wurzeln dieser Bäume. Ihren charakteristischen Duft verströmen die Edelpilze übrigens erst, wenn sie reif sind.

Der Trüffelhund als Schlüssel zum Erfolg

Die lebhafte Trüffelhündin Nerina darf nun frei laufen, immer mit der Nase auf dem Boden. Maurizio Bianconi folgt dem Vierbeiner dicht auf den Fersen. Sobald Nerina zu graben anfängt, ist der Sohn des Geschäftsführers von Tartufi Bianconi bei ihr. Ließe er sie gewähren, würde sie den teuren Fund direkt verspeisen.

Umbrien Trüffelsuche Tartufi Bianconi. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Umbrien Trüffelsuche Tartufi Bianconi. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Umbrien Trüffelsuche Maurizio Bianconi. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Die Trüffelhunde werden von klein auf trainiert, indem man Trüffelstücke in ihr Futter gibt, um ihren Geschmackssinn zu entwickeln. Nach jedem erfolgreichen Fund werden sie mit einem Leckerli belohnt, aber niemals mit süßen Leckereien. Die Kommunikation zwischen Mensch und Hund spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Mit den Worten „Dai“ und „Dove“ motiviert Maurizio Bianconi das Tier und lenkt es in die gewünschte Richtung. Übrigens: Da die Wachstumszeit der Trüffel 80 bis 90 Tage beträgt, steht an den Fundstellen nach dieser Zeit ein neuer Pilz.

So durchkämmt Nerina das Gelände, immer gefolgt von einer kleinen Menschenschar. Einige Male wird sie fündig. Und so kehren wir schließlich nicht mit leeren Händen bei Tartufi Bianconi ein, um weiße und schwarze Trüffel zu kosten. In einem kleinen Museum erfahren wir außerdem allerhand Wissenswertes über die kostbaren Pilze.

Umbrien Trüffelsuche Tartufi Bianconi. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Freude über den Trüffelfund bei Trüffelhund Nerina, Maurizio Bianconi und Cecilia Fabrizio.

Kleine Trüffelkunde

Die Zeit von Oktober bis Dezember ist eigentlich die Erntezeit für weiße Trüffel. Weiße Trüffel können bis zu einen Meter tief in der Erde wachsen. Sie haben einen intensiveren Geschmack als schwarze Trüffel und erzielen etwa das Zehnfache des Preises schwarzer Trüffel.

Von Januar bis April werden die weißen Frühlingstrüffel geerntet. Das Aroma des weißen Frühlingstrüffels ist vergleichbar mit dem des weißen Trüffels. Sein sehr charakteristischer Knoblauchgeschmack zeichnet diese Trüffelart aus.

Schwarze Trüffel wachsen nur einige Zentimeter unter der Erdoberfläche. Sie unterscheiden sich in Winter- und Sommertrüffel. Der schwarze Wintertrüffel wird ebenfalls als aromatisch, aber mit einer fruchtigen Note beschrieben. Wegen seines exzellenten Geschmacks nennen ihn Kenner den „süßen Schwarzen“. Der schwarze Wintertrüffel reift von Dezember bis März.

Im Juni kommt die Erntezeit des schwarzen Sommertrüffels mit seinem süß-erdigen Aroma. Bis August kann er geerntet werden.

Wissenswertes zu Trüffeln im Museum von Tartufi Bianconi. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Im kleinen Museum von Tartufo Bianconi erfährt der Besucher allerhand über Trüffel.

So werden Trüffel zubereitet und konserviert

Weiße Trüffel kommen bei Tartufi Bianconi generell ungekocht auf den Tisch. Hauchfein gehobelt kommt die Köstlichkeit beispielweise über Pasta oder Suppen. Wichtig: Weiße Trüffel halten frisch maximal 4 bis 6 Tage. Um den kostbaren Pilz länger haltbar zu machen, mischt man dünne Scheiben mit leicht gesalzener Butter und gefriert ihn ein. So kann er etwa 1 Jahr aufbewahrt werden.

Schwarze Trüffel können ebenfalls ungekocht verzehrt werden. Doch die Familie Bianconi empfiehlt, diesen Pilz für eine Minute mit einer Knoblauchzehe und einer Prise Salz in Olivenöl zu erwärmen, um das Aroma zu intensivieren. Schwarze Trüffel passen in Soßen und Pasten unterschiedlichster Art, zu sanft gegartem Fleisch oder auch Fisch. Im Ganzen eingefroren hält der kostbare Pilz bis zu 2 Jahre.

Trüffel-Verkostung bei Tartufi Bianconi. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Weiß und schwarze Trüffel zum Probieren bei Tartufo Bianconi.

Olivenernte auf La Rogaia in Umbrien

Meine Gastgeber inmitten der Hügellandschaft von Umbrien sind Dr. Annette Greifenhagen und Wolfgang Sandt. Auf dem Gelände ihres Agriturismo, der Villa La Rogaia, baut die Familie eigene Oliven in kontrolliert biologischer Landwirtschaft an. Aus den Früchten wird in einer kleinen, regionalen Ölmühle erstklassiges Olivenöl gepresst.

Mit Annette mache ich gleich an meinem ersten Urlaubtag einen Spaziergang über den Landsitz nahe Castel Rigone. Seit 1998 lebt sie mit ihrem Mann, der als Bildhauer und Steinmetzmeister arbeitet, in der Villa La Rogaia. Früher war das Anwesen mit 7 Hektar eigenem Land ein Halbpachthof, der etwa 30 Bewohner ernährte.

Olivenhain in Umbrien. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Im Olivenhain der Villa La Rogaia.

Heute ziehen sich die Olivenhaine malerisch rund um Haus und Garten. An den Hanglagen im trocken-warmen Klima oberhalb des Lago Trasimeno reift ein Öl mit fein abgerundeten, nussigen Aromen und niedrigem Säuregehalt heran.

„Entspannende Arbeit“

Alljährlich im November lädt die Familie ein, bei der Olivenernte zu helfen. Die reifen schwarzen Oliven werden ausschließlich von Hand gepflückt. „Um an die Früchte zu gelangen, muss man auch einmal auf Leitern oder Bäume klettern“, erklärt Annette Greifenhagen. Dennoch beschreibt sie die Arbeit im Olivenhain als entspannend und eine Möglichkeit, in fast meditativen Kontakt mit der Natur zu kommen.

Oliven auf dem Baum. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag.

Beinahe erntereif: Oliven im Hain der Villa La Rogaia.

Gemeinsam wird die Ernte schließlich in die kleine Ölmühle gebracht, das Öl gepresst und abgefüllt. Die Helfer dürfen die Hälfte des gewonnenen Öls mit nach Hause nehmen. „Das können zwischen einem und maximal 10 Liter pro Person sein“, sagt Annette. Die Menge ist abhängig vom Jahr, vom Wetter und davon, wie fleißig die Pflücker sind.

Mehr Informationen über die Olivenernte gibt es auf der Webseite der Villa La Rogaia.

Umbrien, Agriturismo Villa La Rogaia, nahe Lago Trasimeno. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Versteckt im Grünen: die Villa La Rogaia.

Süße Spezialität aus Umbrien: Vin Santo

Eine weitere Spezialität Umbriens lerne ich bei Adele und Eugenio Bistarelli kennen. Ihr Haus liegt im malerischen Citerna bei Città di Castello. Hier produziert das Paar auf traditionelle Art und Weise Vin Santo. Der süße Dessertwein wird aus luftgetrockneten, teilrosinierten Trauben hergestellt.

Anwesen des Vin Santo Herstellers Bistarelli in Umbrien. Foto: Beate Ziehres

Zu Besuch bei den Bistarellis in Città di Castello.

Eugenio führt uns ins Obergeschoss, hinein ins große Wohnzimmer, wo im üppig dimensionierten Kamin ein warmes Feuer brennt. Wofür das Feuer benötigt ist, erfahre ich auf dem Dachboden, der über eine schmale Treppe im Wohnzimmer erreichbar ist.

Hier staune ich erst einmal Bauklötze, denn unter dem Dach hängen saftige Traubenbüschel dicht an dicht. Drei Monate trocknen sie hier. Bei schönem Wetter öffnet Eugenio Bistarelli die Fenster. Dann muss er jedoch peinlich darauf achten, dass keine Insekten in den Raum kommen.

Traditionelle Vin Santo Herstellung in Umbrien. Foto: Beate Ziehres

Hier trocknen die Trauben für die süße Weinspezialität aus Umbrien: Vin Santo.

Im Laufe der Trocknung steigt der Zuckergehalt in den Trauben. Erst wenn die Haut der Beeren zerstört wird, beginne der Gärprozess, erklärt Eugenio Bistarelli. Nach dem Keltern dauert es vier Jahre, bis der Wein fertig ist. Aus 100 Kilo Trauben gewinnen die Bistarellis 20 Flaschen hochwertigen Vin Santo.

Nach der Besichtigung des Dachbodens, auf dem auch eine Sammlung traditioneller Maschinen zur Herstellung von Vin Santo zu sehen ist, drängen wir uns um einen Tisch. Adele Bistarelli und einige ihrer Freundinnen servieren einen süßen Kuchen und dazu Vin Santo – beides aus eigener Herstellung. Lecker!

So ist ein Besuch in Umbrien ist nicht nur eine Reise in eine sehens- und liebenswerte Region, sondern auch ein kulinarisches Highlight erster Güte.

Mein Tipp zum Vormerken beziehungsweise gleich Buchen:

26.10.2024 bis 02.11.2024: Kulinarischer Aktivurlaub in der Villa Rogaia in Umbrien – mit Olivenernte, Trüffelsuche und Weinverkostung

Olivenhain in Umbrien. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Blick vom Olivenhain in die Landschaft Umbriens.

Vielen Dank für die Einladung nach Umbrien an Dr. Annette Greifenhagen! Ich habe kein Honorar erhalten und gebe meine eigene Meinung und meine eigenen Erfahrungen wieder.

Alle Fotos: Beate Ziehres

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Łódź – eine polnische Stadt erfindet sich neu https://www.reiselust-mag.de/lodz/ Tue, 26 Sep 2023 21:10:33 +0000 https://www.reiselust-mag.de/?p=5741 Die ehemalige Industriestadt Łódź hält viele Überraschungen bereit: Früher ratterten hinter den Backsteinmauern Webstühle, heute warten hier Einkaufstempel, kulturelle Angebote, Museen, coole Gastronomie und pulsierendes Leben.

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Als Kind hat mich immer die Frage beschäftigt, was in Lodz zu sehen ist. „Theo, wir fahr’n nach Lodz“, sang Vicky Leandros im Radio. Das Lied ist wohl verantwortlich für den Bekanntheitsgrad der viertgrößten Stadt Polens in Deutschland. Damals war Lodz noch eine Industriestadt, ein Zentrum der Textilindustrie. Seit der Jahrtausendwende hat sich Lodz – gesprochen „Wudsch“ – komplett neu erfunden. Nun entdecke ich eine pulsierende Stadt, die zu ihrer Vergangenheit steht und sich zu einem Touristenmagnet entwickelt hat.

Der schnelle Aufstieg von Lodz

Der industrielle Aufstieg des Ackerbürgerstädtchens am Fluss Łódka begann 1820 mit einem russischen Dekret. Aus dem Nichts entstanden an den 19 Flüssen und Flüsschen, die das heutige Stadtgebiet durchziehen, Baumwollspinnereien und -webereien. Sie versprachen den Besitzern sagenhaften Reichtum.

Lodz, Gartenansicht Poznanski-Palast. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Gartenansicht des Palastes der Industriellenfamilie Poznanski.

Die Fabriken warben in Nachbarregionen und im Ausland mit zahlreichen Vergünstigungen um Fachkräfte. So brauchten Neuankömmlinge keinen Kriegsdienst zu leisten. Außerdem erhielten sie die Zusage, ihren Glauben und ihre Kultur pflegen zu dürfen.

In der Folge explodierten die Bevölkerungszahlen und Lodz wurde in kurzer Zeit vom Dorf zum „gelobten Land“, das Tausenden von Familien Hoffnung auf eine bessere Zeit gab. Aus rund 400 Einwohnern im Jahr 1800 waren genau Hundert Jahre später 314.000 Einwohner geworden. Zu dieser Zeit war mit fast 600 Industriebetrieben in der Stadt auch der Höhepunkt der industriellen Entwicklung erreicht.

Im Vorwendejahr 1988 lebten und arbeiteten 854.000 Menschen in Lodz. 1989 kam schließlich die Krise. Die Textilindustrie verlor ihre wichtigsten Märkte, viele Betriebe mussten schließen, Massenarbeitslosigkeit brach aus.

Heute prägen noch immer riesige Backstein-Fabriken, prachtvolle Fabrikantenpaläste und weitläufige Grünanlagen das Stadtbild von Lodz. Das ohrenbetäubende Rattern der Webstühle ist jedoch nur noch im Museum zu hören. Die Werkskapellen, die zur Zerstreuung der Arbeiter an Sonntagen in den Parks aufspielten, sind ebenfalls verstummt. Dafür ist kreatives, avantgardistisches Leben auf den weitläufigen Fabrikationsflächen eingezogen.

Lodz Monopolis. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Auf dem Gelände der ehemaligen Wodka-Brennerei Monopoly entstanden ab 2007 zahlreiche Restaurants und Kultureinrichtungen.

Lodz Herz am Hotel Puro. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Das Herz für Lodz darf nicht fehlen. Der Fotospot befindet sich vor dem Puro-Hotel.

Flaniermeile Piotrkówska

Eine der berühmtesten Straßen im Land und zugleich die wohl längste Fußgängerzone Polens ist Lodzs Piotrkówska. Die mehr als 4 Kilometer lange Prachtmeile ersetzt den Marktplatz und den Rathausplatz, erklärt mir Tomasz Koralewski, der Geschäftsführer von lodz.travel. Restaurants mit Spezialitäten aus aller Herren Länder, Cafés, Pubs, Musik-Clubs und Geschäfte aller Art säumen die Piotrkówska. Die Gastronomen nutzen die breiten Bürgersteige, um die Gäste zu bewirten. Auf der Piotrkówksa flaniert man, sieht und wird gesehen.

Lodz, Piotrkowska. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Die extralange Flaniermeile Piotrkowska ist „the place to be“ in Lodz.

Lodz, Piotrkowska. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Die Bierhalle (links) an der Piotrkowska ist wohl ein liebgewonnenes Überbleibsel aus deutscher Zeit.

Hier lohnt sich nicht nur ein Blick ins Publikum oder in die Hinterhöfe, die die längsten Polens sein sollen, sondern auch nach oben. Denn ab etwa 1880 gehörte es zum guten Ton, mit einem Bürgerhaus an der Piotrkówska vertreten zu sein. So bauten die Fabrikanten zusätzlich zur  Villa auf dem Fabrikgelände einen Palast in der guten Stube der Stadt. Die prachtvollen Fassaden der Gebäude sind unbedingt sehenswert, wie ich finde.

Lodz, Fassade an der Piotrkowska. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Hausfassade in der Piotrkowska.

Beim Bummel auf der Piotrkówska fällt mir auch ein Walk of Fame nach dem berühmten Vorbild in Hollywood auf. Und die Stadtgründer sind auf Gusseisenplatten im Pflaster der Fahrbahn präsent.

Lodz, Gedenksteine im Pflaster der Piotrkowska. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Das Straßenpflaster in der Piotrkowska erinnert an die Stadtgründer ….

Lodz, Walk of Fame in der Piotrkowska. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

… der Walk of fame an Berühmtheiten aus dem Filmgeschäft.

Insta-Spot Roses Passage

In der Piotrkówska 3, gleich gegenüber der prachtvollen, im klassizistischen Stil erbauten Kirche der Herabkunft des Heiligen Geistes (kościół pw. Zesłania Ducha Świętego), befindet sich Lodz’s Instagram-Spot Nummer 1: die Pasaż Róży, zu deutsch Roses Passage. Roses Passage ist ein Projekt der Künstlerin Joanna Rajkowska. Sie beklebte alle Wände rund um den Hinterhof des Mietshauses mit Spiegelscherben. Die einfallenden Sonnenstrahlen verleihen den Hof in eine ganz eigentümliche Atmosphäre.

Rajkowska widmete die Passage ihrer Tochter Rose, deren Netzhaut nach einer Chemotherapie rekonstruiert werden musste. Die Herausforderung an den Betrachter des Werkes besteht darin, die reflektierten Fragmente eines Bilds zu einem Ganzen zusammenzusetzen.

Lodz, Insta-Spot Roses Passage. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Blick in die verspiegelte Roses Passage. Sie ist Rose, der Tochter der Künstlerin, gewidmet.

Kunst-, Kultur- und Freizeitzentrum OFF Piotrkówska

Etwa in der Mitte der Piotrkówska liegt mit der Hausnummer 138/140 das Gelände der ehemaligen Baumwollfabrik von Franciszek Ramisch. Hier hat man erfolgreich versucht, eine Alternative zum Konsum-Mainstream zu schaffen. Modedesigner sind hier mit ihren Ateliers vertreten, Designer und Architekten arbeiten von hier aus. Es gibt Concept Stores, Clubcafés, Musikclubs, Proberäume und Ausstellungsräume.

Lodz OFF Piotrkowska. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

OFF Piotrkowska ist ein Lieblingsziel für den Feierabend.

Ich habe ein wunderbares Abendessen im Restaurant Spółdzielnia genossen – eine der Spezialitäten des Hauses: Spare Ribs mit einer fantasievoll zubereiteten Kohl-Kreation und Kartoffelgratin. Auch superleckeres Tatar – eine regionale Spezialität – ist hier erhältlich.

Lodz OFF Piotrkowska, Restaurant Spółdzielnia. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Blick ins noch wenig besuchte Spółdzielnia. Der Anblick sollte sich bald ändern …

Angesteckt von der allgemeinen, ausgelassenen Stimmung in OFF Piotrówska habe ich, während das Essen zubereitet wurde, im „Ewert and Friends“ direkt nebenan eine sehr coole Designerhose anprobiert. Zum Glück für mein Budget wurde der Kaufprozess vom Ruf der Kollegen „Essen steht auf dem Tisch“ jäh unterbrochen.

Lodz OFF Piotrkowska. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Essen, Trinken, Feiern – das ist Programm in OFF Piotrkowska.

Street Art in Lodz

Immer wieder fallen mir in der Piotrowska und an umliegenden Gebäuden Wandgemälde, sogenannte Murals auf. Alle gemeinsam bilden sie die größte städtische Außengalerie Polens. Bekannte Street Art Künstler aus Polen und dem Ausland haben in Lodzs Innenstadt Werke geschaffen. Sie entstanden beispielsweise im Rahmen des Festivals Galeria Urban Forms oder des Internationalen Graffiti-Festivals.

Eine der ersten modernen Wandmalereien, das Werk an der Piotrówska 152, war als größtes Graffiti der Welt für einige Zeit sogar im Guinnessbuch der Rekorde vertreten. Eine detaillierte Karte mit allen Murals in Lodz kann hier heruntergeladen werden.

Lodz, Streetart Siudmak in einem Hinterhof der Piotrkowska. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Theorie und Praxis: An der Wand erfreut der Hund die Bewohner dieses Hauses etwas abseits der Piotrkowska. Aber dass Hunde die Blumen düngen, ist offensichtlich nicht erwünscht.

Lodz, Streetart Siudmak in einem Hinterhof der Piotrkowska. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Diese Wandmalerei ist ein Werk von Woiciech Siudmak, der in der Region Lodz geboren wurde und als der weltweit bekannteste polnische Maler und Bildhauer gilt.

Poznański-Baumwollfabrik wurde zum Kunst-, Freizeit- und Einkaufszentrum Manufaktura

Hiermit will ich zurückkommen zu den riesigen Textilfabriken aus dem 19. Jahrhundert, in die neues Leben eingezogen ist. Die bei Besuchern der Stadt beliebteste Attraktion ist das Einkaufs-, Kultur- und Erlebniszentrum Manufaktura. Manufaktura wurde vor rund 15 Jahren auf dem Gelände der einstigen Baumwollfabrik von Izrael Poznański entwickelt. Mit dem Fabrikmuseum ist die Manufaktura heute Teil der Europäischen Route der Industriekultur.

Im angeschlossenen hochmodernen Einkaufszentrum werden alle nur denkbaren modischen Vorlieben bedient. Von Bershka über Gerry Weber bis hin zu Guess und Hugo Boss spannt sich der Bogen der vertretenen Labels. Zum Manufaktura-Komplex zählen außerdem ein Kino, ein Theater, eine Boulderanlage und ungezählte Restaurants, Cafés und Bars. Zwischen munteren Wasserspielen dreht sich zur Kinderbelustigung ein historisches Karussell.

Lodz Manufaktura. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Leben auf dem historischen Fabrikgelände der Textilfabrik Poznanski.

Lodz Manufaktura von oben. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Kurzweil auf den Wegen der Manufaktura: Vom Karussell bis zur Beach Bar ist alles da.

Drei Nächte lang konnte ich mich davon überzeugen, dass die Manufaktura auch nachts nicht schläft. Von meinem Fenster in der vierten Etage des Hotels Vienna House by Wyndham Andel’s überblickte ich die einstmals größte Textilfabrik der Stadt.

Lodz Manufaktura bei Nacht. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Lodz Manufaktura bei Nacht. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Lodz Manufaktura bei Nacht. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Poznanski-Palast

Der Stadtpalast des Fabrikanten Izrael Poznański liegt ebenfalls auf dem ehemaligen Fabrikgelände und gleich neben der Manufaktura. Das Gebäude spiegelt den sagenhaften Reichtum, den die Textilfabrikanten in Lodz – wohl auch auf Kosten der Arbeiter – erwirtschaftet hatten, wider. In den vergangenen Jahren wurde der Palast von Grund auf saniert und restauriert und kann jetzt wieder besichtigt werden.

In den historischen Innenräumen ist unter anderem die Einrichtung der Fabrikantenvilla zu sehen, die aus der Wendezeit vom 19. ins 20. Jahrhundert stammt. Heutzutage finden beispielsweise im Festsaal Konzerte, Bälle und Bankette statt.

Lodz, Damenzimmer im Poznanski-Palast. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Lodz, Ankleidezimmer im Poznanski-Palast. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Museum der Stadt Lodz im Poznański-Palast

In den endlos scheinenden Räumen und Sälen der Poznański-Residenz ist auch das Museum der Stadt Lodz untergebracht. Eine neue Ausstellung trägt den Titel „Łódź in Europa, Europa in Łódź. Das gelobte Land gestern und heute“. Im Untergeschoss gewährt eine Dauerausstellung Einblick in die Geschichte der Lodzer Industrie und ins multikulturelle Lodz.

Lodz, deutsche Küche im Stadtmuseum Poznanski-Palast. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Unterschiedliche, typische Wohnräume stehen für die multikulturelle Einwohnerschaft der Stadt Lodz. Hier – wer würde es nicht erkennen – eine deutsche Küche.

Fabrikmuseum in der Manufaktura

Als die Museumsführerin einen von vier erhaltenen historischen Webstühlen in Gang setzt, ist Ohrenzuhalten angesagt. Ohrenbetäubender Lärm hallt durch das Fabrikmuseum in der Manufaktura. Mit dem Betreten des Museums fühlt man sich zurückversetzt in die Textilfabrik von Izrael Poznanski, die einst zu den größten Textilwerken Europas zählte. Dafür sorgt die Kombination aus dem unvorstellbar lauten Rattern eines einzigen Webstuhls, dicht gedrängten Maschinen, Dioramen und Dokumentarfilmen.

Ich erfahre, wie aus Baumwolle Stoff entsteht, welche Technik im ausgehenden 19. Jahrhundert in der Produktion eingesetzt wurde und wie beispielsweise der Alltag der Arbeiter aussah.

Lodz, Fabrikmuseum. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Historischer Webstuhl in Aktion. Der Lärm, den eine einzige Maschine dieser Art produziert, ist ohrenbetäubend. In der Weberei der Poznanski-Fabrik standen diese Webstühle in großer Zahl und dichtgedrängt. Sie wurden von Frauen bedient.

Scheibler-Baumwollstandort Księży Młyn zieht heute Künstler und Fotografen an

Am südöstlichen Rand der Innenstadt liegt in Księży Młyn eine weitere Baumwollfabrik, die sich in der Revitalisierung befindet. Die Fabrik-Wohnsiedlung Księży Młyn wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert von Karl Scheibler, einem Unternehmer aus dem Rheinland und dem reichsten Industriellen von Lodz, erbaut. Księży Młyn – auf Deutsch Pfaffenmühle – war eine autarke Stadt in der Stadt. Als Vorbild dienten Industriesiedlungen in England.

Herz des Fabrikkomplexes war und ist eine schlossartige, im Stil der Neu-Renaissance erbaute Spinnerei. Die Spinnerei zählt zu den größten historischen Industriegebäuden in Europa. Heute finden in den außergewöhnlichen Räumen der ehemaligen Fabrik kulturelle Veranstaltungen, Festivals und Modeschauen statt. In den benachbarten historischen Fabrikgebäuden kann man moderne Lofts beziehen – für einen Urlaub oder für einen längeren Zeitraum.

Lodz, ehemalige Scheibler-Spinnerei. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

In der ehemaligen Scheibler-Spinnerei (links) kann man sich heute stilvoll einmieten.

In Księży Młyn gab es neben Baumwollverarbeitungsanlagen eine Arbeitersiedlung, zwei Krankenhäuser, eine Schule und eine Feuerwache. In einer Villa, die anlässlich der Hochzeit von Scheibler-Tochter Mathilda gebaut wurde, befindet sich heute ein Museum für moderne Kunst. Die Häuser der Arbeiter wurden saniert und sind wieder bewohnt, in anderen Gebäuden sind die Arbeiten noch im Gange. Lediglich der kleine Bahnhof von Księży Młyn wirkt verlassen.

Lodz, Café im revitalisierten Stadtteil Pfaffenmühle. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Rösterei und Café in Księży Młyn.

Lodz, Wohnhäuser im revitalisierten Stadtteil Pfaffenmühle. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Lodz, ehemalige Schule im revitalisierten Stadtteil Pfaffenmühle. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Scheibler-Palast und Museum für Kinematographie

Im ehemaligen Palast des Firmengründers Karol Scheibler, den ich nach einem Spaziergang durch den Źródliska-Park erreiche, befindet sich das Museum für Kinematographie. Dies ist aus mehreren Gründen kein zufällig gewählter Ort für das in Polen einzigartige Museum. Zum einen spielt die Villa eine Rolle im Film „Das gelobte Land“, in dem der Regisseur Andrzej Wajda 1975 das gnadenlose Streben der Lodzer Industriellen nach Reichtum und das Elend der Arbeiter thematisiert. Zum anderen wurde Lodz nach der Zerstörung Warschaus im 2. Weltkrieg zum polnischen Zentrum der Filmproduktion. In dieser Zeit entstand der Beiname Holly-Lodz (gesprochen Holly-Wudsch).

Lodz, Gartenansicht Scheibler-Palast. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Gartenseite der Scheibler-Villa.

Heute sind die Produktionsfirmen zurück nach Warschau gezogen, Lodz dient hingegen häufig als Filmkulisse. Geblieben ist die 1948 gegründete Staatliche Hochschule für Film, Fernsehen und Theater Łódź, die ihren Sitz ebenfalls in Księży Młyn hat. Sie ist eine der weltweit bedeutendsten Filmhochschulen für Regisseure, Kameraleute und Schauspieler.

Das Museum für Kinematografie ist in die vier Hauptbereiche Kinogeschichte, Filmtechnik, Plakat- und Bühnendesign sowie Animation unterteilt und verfügt über eine Sammlung von mehr als 50.000 Exponaten. Dazu zählen beispielsweise alte Filmgeräte, ein Kaiser-Panorama, Dokumente aus dem Filmleben und Plakate.

Lodz, Exponat im Filmmuseum. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Exponat im Filmmuseum.

Lodz, Kinetoskop im Filmmuseum. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Kinetoskop – Vorführtechnik aus vergangenen Jahrhunderten.

Beim Rundgang durch das Museum entdecke ich auch Originalräume der Scheibler-Villa, beispielsweise das Esszimmer und – nicht zu vergessen – das beeindruckende Treppenhaus. Unter anderem in diesen Räumen wurden Szenen aus „Das gelobte Land“ gedreht.

Lodz, Esszimmer im Scheibler-Palast. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Lodz, Treppenhaus im Scheibler-Palast. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Źródliska-Park

Der zweiteilige Źródliska-Park liegt im Stadtteil Księży Młyn zwischen der Arbeitersiedlung und dem Scheibler-Palast. Es ist der älteste Park der Stadt und eine von vielen Grünanlagen. Hier fanden die Arbeiter der Baumwollfabriken Erholung und Zerstreuung. Es gab ein Kulturhaus und einen Pavillon, in dem sonntags die Werkskapelle spielte.

Hauptanziehungspunkt im  Źródliska-Park ist jedoch das Palmenhaus. Die ersten exotischen Pflanzen stammten aus den Wintergärten von Lodzer Fabrikanten. Heute leben in drei Glaspavillons und einem Lehrgarten 4300 Pflanzen sowie verschiedene Tierarten wie die Kois und Schildkröten.

Lodz Park Zdrolska. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Lodz Park Zdrolska. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Ältestes Elektrizitätswerk verwandelt sich in Kultur- und Wissenschaftszentrum EC 1

Unweit des Hochgeschwindigkeitsbahnhofs Łódź Fabryczna wurde bereits vor einigen Jahren das erste städtische Elektrizitätswerk in das Kultur- und Wissenschaftszentrum EC1 verwandelt. Dazu zählen ein Science & Technology Center mit 150 Entdecker-Stationen zu den Themen „Energie“, „Entwicklung und Zivilisation“ sowie „Mikrokosmos-Makrokosmos“ und ein modernes Planetarium. In einer futuristisch umgestalteten Maschinenhalle befindet sich das Nationale Zentrum für Filmkultur.

Lodz, EC1. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Kultur- und Wissenschaftszentrum EC1.

Lodz, EC1, ehemaliger Kühlturm. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Markantes Wahrzeichen: der Kühlturm des ehemaligen Kraftwerks.

Mit dem Aufzug fahre ich hoch zur Aussichtsplattform des 40 Meter hohen Kühlturms und genieße die grandiose Aussicht auf Lodz. Die Stadt breitet sich im pastelligen Licht der Nachmittagssonne vor mir aus.

Lodz EC1, ehemaliger Kühlturm. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Im Inneren des ehemaligen Kühlturms.

Der Kühlturm ist Blickfang und Herzstück des Kraftwerkskomplexes im Zentrum von Łódź, der die Stadt von 1907 bis 2000 mit Strom und Wärme versorgte. Doch ebenso eindrucksvoll ist die über mehrere Stockwerke reichende ehemalige Turbinenhalle. Hier blieb wie in den übrigen Gebäuden ein Großteil der historischen Einrichtung erhalten. So kann ich im riesigen Brennofen des ehemaligen Heizkraftwerks umherklettern und im zentralen Leitstand Schalter umlegen.

Lodz, EC1, im ehemaligen Kraftwerk. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Lodz, EC1, Turbine. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Lodz, EC1, Leitstand des ehemaligen Kraftwerks. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag
Lodz, EC1, im ehemaligen Kraftwerk. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Das ehemalige Heizkraftwerk im Zentrum von Lodz ist heute ein Industriedenkmal und Besuchermagnet.

Wie das Fabrikmuseum der Manufaktura ist auch das Wissenschafts- und Kulturzentrum EC1 Ankerpunkt der Europäischen Route der Industriekultur. Die Route vereint mehr als 300  Baudenkmäler der Industriegeschichte in 27 Ländern Europas. In Polen zählen dazu unter anderem das einstige Salzbergwerk von Wieliczka und die historischen Brauereien von Tychy und Żywiec.

Zentrum für Comics und Interaktives Erzählen

In einem weiteren Gebäude des ehemaligen Kraftwerkskomplexes entsteht zurzeit das Zentrum für Comics und Interaktives Erzählen. Obwohl die Einrichtung erst am 6. Oktober 2023 eröffnet wird, durfte ich schon einen Blick in die Ausstellung werfen. Hier wimmelt es geradezu von Fantasy-Figuren und -Landschaften.

Lodz, EC1, Comicmuseum. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Blick ins Zentrum für Comics und Interaktives Erzählen.

Das Zentrum versteht sich als Lernort und Raum zum Experimentieren. Die Besucher werden mit Virtual Reality bekannt gemacht und lernen die neuesten Technologien kennen. An bestimmten Stationen können sie selbst einen Comic entwickeln, vom Charakter über die Hintergrundlandschaft bis hin zum Test.

Lodz, EC1, Comicmuseum. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

In Sachen Comic selbst Hand anlegen – im Zentrum für Comics und Interaktives Erzählen ist das möglich.

Der Ort, an dem das Zentrum für Comics und interaktives Erzählen entsteht, ist von filmhistorischer Bedeutung. Hier befand sich der Sitz des Oscar-prämierten Animationsfilmstudios Se-Ma-For und dessen Kindertrickfilmmuseums.

Anreise nach Lodz

Mit dem Auto:

  • Aus Richtung Westen: über Autobahn A2 (mautpflichtig); beispielsweise Berlin-Łódź, 485 Kilometer, Fahrtzeit rund 5 Stunden
  • Aus Süden und Südwesten auf A4 (mautpflichtig) bis Wrocław (Breslau) und weiter auf der S8 nach Łódź; zum Beispiel ab München 980 Kilometer, 9,5 Stunden, ab Dresden 490 Kilometer, 5 Stunden

Mit der Bahn:

  • Ab Berlin mit EC 45 (Berlin-Warszawa-Express) mit Umstieg in Kutno, Fahrtzeit ab 5:45 Stunden; andere Städte via Berlin
Lodz Bahnhof Fabryczna. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Der moderne Bahnhof Fabryczna in Lodz.

Mit dem Bus:

  • Verschiedene Verbindungen mit Flixbus direkt oder mit Umsteigen, zum Beispiel direkt ab Berlin 6 Stunden, ab Frankfurt/M. 13,5 Stunden

Mit dem Flugzeug:

  • Flüge ab verschiedenen deutschen Städten mit LOT oder Lufthansa nach Warszawa (Warschau); von dort per Bahn weiter (ab Flughafen mit Umsteigen in Warszawa-Gdańska oder -Zachodnia ab etwa 2:10 Stunden); alternativ mit Bus weiter, zum Beispiel mit dem Flixbus direkt nach Łódź in 1:35 Stunde.

Exkurs in die deutsche Geschichte von Lodz

Zwischen dem Aufstieg zur Industriestadt und der Neuausrichtung nach der Krise ab etwa 2000 erlebte Lodz ein sehr schwieriges Jahrhundert. Für unbeschreibliches Grauen, den Tod unendlich vieler Menschen und den wirtschaftlichen Abstieg sowie die Flucht der Industriellenfamilien waren hauptsächlich die deutschen Besatzer verantwortlich.

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde die Stadt an der damaligen Ostfront zum Schauplatz der Schlacht um Lodz. Nach langen Kämpfen überließen die Russen den Deutschen die Stadt. Die Besatzer demontierten große Teile der Textilfabriken ohne Rücksicht auf die überwiegend deutschen Besitzer, die daraufhin die Stadt verließen.

Lodz, unsanierte Arbeiterwohnhäuser an der Poznanski Textilfabrik im Stadtteil Baluty. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Unsanierte Wohnhäuser für Textilarbeiter und -arbeiterinnen am Rande der ehemaligen Poznanski-Fabrik in Baluty.

Mit dem Ausbruch des zweiten Weltkriegs verschlechterte sich die Lage in der bis dahin multikulturellen Stadt weiter. 1940 wurde Łódź in Litzmannstadt umbenannt und das Ghetto Litzmannstadt errichtet. Die in diesem Wohnbezirk eingesperrten Juden mussten Zwangsarbeit leisten. Später wurden sie zum größten Teil deportiert und ermordet.

Das Stadtmuseum im Poznanski-Palast beleuchtet die Geschichte des Ghettos in einem eigenen Ausstellungsbereich. Dort finden Interessierte auch Hinweise darauf, wo sie im Stadtteil Baluty, in dem auch das Poznanski-Gelände liegt, auf Spurensuche gehen können.

Touristische Informationen zu Łódź unter www.lodz.travel und zur Industriekultur-Route unter www.erih.de. Weitere Informationen zum Reiseland Polen beim Polnischen Fremdenverkehrsamt Berlin. Ich habe Lodz im Rahmen einer Pressereise kennengelernt, die vom Polnischen Fremdenverkehrsamt Berlin und von der Tourismusorganisation Lodz organisiert wurde. Vielen Dank für die vielfältigen Eindrücke!

Alle Fotos. Beate Ziehres

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Finnland – 7 Gründe für Winterurlaub in Kuusamo https://www.reiselust-mag.de/kuusamo/ https://www.reiselust-mag.de/kuusamo/#comments Tue, 11 Apr 2023 21:50:32 +0000 https://www.reiselust-mag.de/?p=5600 Den perfekten Winterurlaub habe ich in Kuusamo im Nordosten von Finnland erlebt – mit allen Wintersportmöglichkeiten, tierischen Begegnungen und den besten Aktivitäten im Winterwunderland. Plus Nordlichter!

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Blütenweißer Pulverschnee soweit das Auge reicht und knackig kalte, klare Luft – davon kann man in Deutschland meist nur träumen. In Finnland, insbesondere im schneereichen Lappland, wird dieses Wintermärchen alljährlich wahr. Dazu gehören Winterabenteuer wie Motorschlittensafaris und Hundeschlittentouren über zugefrorene Seen und durch verschneite Wälder, Rentierfüttern und natürlich Wintersport. Ganz zu schweigen von den magischen Polarlichtern. Hier kommen 7 Gründe, die für einen Winterurlaub im finnischen Kuusamo sprechen – für mich der beste Winterurlaub meines bisherigen Lebens!

Von Winterurlaub in Finnland habe ich schon länger geträumt. Doch das Ergebnis meiner Recherchen war immer: Die Anreise ist zu kompliziert, die Aktivitäten zu teuer und wie kommt man überhaupt zur Schlittenhundefarm, zum Motorschlittenverleih und zu den Rentieren? Und wer garantiert mir, dass ich nicht friere??

Dass wir nun an diesem 27. Dezember in Erfurt in ein Charterflugzeug nach Kuusamo steigen, ist meiner Tochter Lena zu verdanken. Eine Kollegin hatte sie auf das Angebot des  Reiseveranstalters Vianova aufmerksam gemacht. Mit einem Schlag lösten sich alle Bedenken in größtes Wohlgefallen auf: Direktflug nach finnisch Lappland, Unterkunft in einem Appartement mit Kaminofen und eigener Sauna, die besten Ausflüge und Aktivitäten inklusive – das Rundum-Sorglos-Paket für Urlaub im Winterwunderland!

Kuusamo, Finnland. Beate im Tiefschnee. Foto: Lena Ziehres, Reiselust-Mag

Angekommen im Winterwunderland. Foto: Lena Ziehres

#1: Appartement im „HolidayClub Kuusamon Tropiikki“

Nach etwa 3-stündigem Flug atmen wir auf dem tiefverschneiten, winzigen Flughafen in Kuusamo erstmals die belebende, klare Winterluft ein, die ich seit diesem Urlaub vermisse.

Im Büfettrestaurant „Mango“ des Hotelresorts „HolidayClub Kuusamon Tropiikki“ wartet bei unserer Ankunft bereits das Abendessen – internationale Küche, für jeden Geschmack ist etwas dabei. Kinder finden an einem Extra-Büfett Pommes, Chicken Nuggets und Würstchen.

Unser Appartement erreichen wir nach einem kurzen Marsch über die dicke, feste Schneedecke. Drinnen ist es kuschelig warm, obwohl im Kamin kein Feuer brennt. Ob wir an diesem Abend die Sauna noch ausprobiert haben, weiß ich nicht mehr. Aber spätestens ab Tag 2 ist das gute Stück im riesigen Bad allabendlich in Betrieb. Nicht dass wir übermäßig frieren würden. Aber Sauna ist einfach ein Stück finnisches Lebensgefühl.

Kuusamo, Finnland: Kuusamon Tropiikki. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Weihnachtlich geschmückter Eingang des HolidayClub Kuusamon Tropiikki.

Kuusamo, Finnland: Appartementhäuser im Kuusamon Tropiikki. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Appartementhäuser im Kuusamon Tropiikki.

Am nächsten Vormittag ist Zeit, die Umgebung zu erkunden. Zu unserem Vergnügen lässt sich schon die Sonne erahnen, als wir um 9.30 Uhr durch den Schnee zum Frühstück stapfen. Bis wir schließlich eingepackt aufbrechen in Richtung Petäjälampi-See ist es hell.

Dass man das Loch in der Eisdecke vor der Blockbohlensauna bedenkenlos umrunden kann – daran muss ich mich erst gewöhnen. Wir spazieren über den See, bis wir aussehen wie Weihnachtsmänner und -frauen, uns sehr kalt ist und die Abfahrtszeit für den ersten Ausflug naht.

Beate aus dem Eis. Foto: Bernd Ewert, Reiselust-Mag Vereiste Haare. Foto: Bernd Ewert, Reiselust-Mag Vereister Bommel. Foto: Bernd Ewert, Reiselust-Mag
Kuusamo, Finnland: Mökki am See. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Jede finnische Familie, die etwas auf sich hält, besitzt ein Mökki am See.

Kuusamo, Finnland: Schneelandschaft. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Wintermärchen: Die eingeschneiten Tannenbäumchen erinnern an Trolle.

#2: Besuch der Palosaari Rentierfarm mit Rentierschlittenfahrt

Nach einer kurzen Fahrt durch die Winterlandschaft von Kuusamo erreichen wir die Palosaari Rentierfarm. Satu und Mika, die beiden Besitzer der Rentierfarm, begrüßen uns auf dem Hof. In einem kleinen verschneiten Wäldchen sind bereits die Rentiere eingespannt. Mika erklärt uns, wie der Schlitten gelenkt und gebremst wird und – ganz wichtig – wie man die Rentiere auf Trab bringt.

Kuusamo, Finnland: Rentierschlitten. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Es ist angespannt – Rentier auf der Palosaari-Rentierfarm.

Kuusamo, Finnland: Rentierfarmer Mika. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Rentierfarmer Mika trotzt der Kälte mit traditioneller Pelzbekleidung.

Dann sitzen wir auf dem Schlitten, bewaffnet mit einem Stöckchen. Schon nach den ersten gemächlich absolvierten Metern findet das Tier einen imaginären Grashalm am Wegesrand, den es zu zupfen gilt. Mit dem Stöckchen erinnere ich das gemütliche Rentier daran, dass wir die Wahnsinnsstrecke von 300 Metern noch vor dem Einbruch völliger Dunkelheit absolvieren wollen.

Nach der Schlittenfahrt geht es in den Rentierkindergarten zum Füttern. Mika verteilt Eimer mit Moos. Die süßen Rentierkinder naschen uns die Leckerbissen aus den Händen und wir wissen nicht, was wir zuerst machen wollen: streicheln, kuscheln oder fotografieren.

Kuusamo, Finnland: Fahrt mit dem Rentierschlitten. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Kuusamo, Finnland: Rentier Humboldt. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag
Kuusamo, Finnland. Rentierkinder füttern. Foto: Lena Ziehres, Reiselust-Mag

Moose – Leckerchen für die Rentierkinder. Foto: Lena Ziehres

Kuusamo, Finnland: Im Rentierkindergarten. Foto: Lena Ziehres, Reiselust-Mag

Im Rentier-Kindergarten. Foto: Lena Ziehres

Als wir richtig durchgefroren sind, lockt uns eine heimelig leuchtende Laterne in eine Hütte. In der Mitte brennt ein großes Feuer. Satu reicht uns zu heißem Kaffee und Tee selbstgebackene Kekse und Rentierbratwurst. Sie ist Rentierzüchterin in der sechsten Generation und hat viele faszinierende Geschichten zu erzählen aus dem Leben mit den Tieren.

Kuusamo, Finnland: Auf der Rentierfarm. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Auf der Rentierfarm.

Kuusamo, Finnland: Auf der Rentierfarm. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Aufwärmen am Feuer in der Hütte auf der Palosaari Rentierfarm.

Im Sommer zieht die Herde frei durch die Weite Lapplands. Bei Einbruch des Winters sammeln die Farmer ihre Tiere ein und bringen sie in die Geborgenheit der Farm zurück. Teilweise entfernen sich die Rentiere so weit vom heimatlichen Hof, dass der Farmer im Hubschrauber auf die Suche gehen muss.

#3: Tour mit dem Hundeschlitten bei Kuusamo

Ein Treffen mit Huskys und eine Fahrt mit einem Hundeschlitten durch die stille, vereiste Landschaft gehört unbedingt zu jedem Winterurlaub in Finnland. Es ist ein unvergessliches Erlebnis!

Bei unserer Ankunft am Startplatz der Schlittenfahrt herrscht ohrenbetäubendes Gebell. Die Hunde sind teilweise schon angespannt und freuen sich lautstark auf die Ausfahrt.

Kuusamo, Finnland: Auf gehts zur Fahrt mit dem Hundeschlitten. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Schlittenhunde warten auf die nächsten Fahrgäste.

Wir erfahren, wie der Schlitten gelenkt wird und die Hunde gebremst werden können. Als wir unseren Platz auf dem Schlitten eingenommen haben, sind die Tiere kaum noch zu halten. Sie wollen laufen und reißen unbändig an den Seilen! Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Huskyfarm haben alle Hände voll zu tun, die Gespanne zu komplettieren und zu ordnen. Und dann löst jemand das Seil, das den Schlitten festgehalten hat!

Sofort herrscht Stille. Unsere kleine Gruppe folgt einem Guide und ich bin stets am Bremsen, weil die Hunde am liebsten den Schlitten vor uns überholen würden. Wir fahren über einen zugefrorenen See und durch ein kleines Wäldchen. Das Licht ist einzigartig, die Landschaft und der Himmel sind in den schönsten Pastellfarben eingefärbt. Jeden Moment muss die Sonne aufgehen.

Kuusamo, Finnland. Unterwegs mit dem Hundeschlitten auf einem gefrorenen See. Foto: Bernd Ewert, Reiselust-Mag Kuusamo, Finnland. bei der Hundeschlittenfahrt. Foto: Bernd Ewert, Reiselust-Mag

Auf Instagram habe ich ein Video von unserer Schlittenfahrt gepostet.

Nach den gebuchten 5 Kilometern sind meine Finger unglaublich kalt. Doch nun ist der Moment gekommen, die Huskys zur Belohnung zu knuddeln, was wir auch ausführlich tun.

Kuusamo, Finnland: Hundeschlittenkuscheln. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Zum Knutschen: Zwei entspannte Schlittenhunde nach der Ausfahrt.

Anschließend gibt es in einer Hütte am warmen Ofen heißen Kaffee und Tee zum Aufwärmen, Kekse und Gespräche mit der deutschen Besitzerin der Farm über das Leben als Musher.

#4: Motorschlittensafari durch den Zauberwald

Ein weiteres Highlight unseres Winterurlaubs in Finnland ist die Fahrt mit einem Motorschlitten durch den tief verschneiten Winterwald. Man muss dazu sagen, dass Kuusamo berühmt ist für bildschöne Winterlandschaften. Denn die Gegend nahe des Polarkreises und der russischen Grenze ist außerordentlich schneereich. Hier nehmen kleine Tannenbäume im Winter die Gestalt von Trollen an. Selbst bei einer Fahrt weiter in Richtung Norden habe ich keine vergleichbaren Landschaften gesehen.

Eine Motorschlittensafari ist die beste Gelegenheit, tief in die unberührten Winterwälder einzutauchen. Und ein bisschen abenteuerlich ist so ein Ausflug auch. Als wir um 13 Uhr im Iisakki Village bei Ruka Safaris ankommen, ist es sogar noch etwas hell. Doch bis wir den obligatorischen Thermoanzug über mehrere Schichten wärmende Kleidung gezwängt, einen passenden Helm sowie Handschuhe gefunden haben und die Motoren knattern, ist es fast dunkel. Egal, die Schlitten haben ja Licht.

Kuusamo, Finnland: Motorschlittensafari. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Alle Mann und Frau aufsitzen und fertigmachen zur Abfahrt mit dem Motorschlitten,

Kuusamo, Finnland: Motorschlittensafari. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Zwei unerschrockene Motorschlittenfahrer.

Kuusamo, Finnland: Motorschlittensafari. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Stopp in der Mitte von Nirgendwo …

Erstaunlicherweise friere ich nicht – die Motoren heizen etwas. Und ich genieße jede Sekunde der Ausfahrt durch den verzaubert aussehenden Wald. An einem See – zu erkennen an der glatten, beschneiten Fläche ohne Baumbewuchs – halten wir an. In einer Hütte prasselt ein großes Feuer, es gibt Tee, Kekse und Benzingespräche, bevor es wieder zurück geht zu Ruka Safaris.

Kuusamo, Finnland: Motorschlittensafari. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Jedes Vergnügen hat einmal ein Ende, auch eine Motorschlittensafari.

#5 Wintersport treiben in Finnland

Ein Winterurlaub in Kuusamo wäre nicht komplett ohne etwas Wintersport und einen Besuch in Wintersportzentrum Ruka. Hier finden regelmäßig internationale Ski-Wettkämpfe statt, beispielsweise im Skispringen, im Skilanglauf und in der Nordischen Kombination.

Schneeschuhwandern

Als überzeugte Nicht-Skifahrerin probiere ich mich in Kuusamo im Schneeschuhwandern. Das macht Spaß und mir wird richtig warm. Kreuz und quer geht es über Seen, Berge hinauf und hinunter. Denn das ist das Besondere am Schneeschuhlaufen: Man braucht keine Wege, keine Spuren. Je tiefer der Schnee, desto spaßiger wird es. Also ein Vergnügen ganz nach meinem Geschmack.

Kuusamo, Finnland: Schneeschuhwanderung. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Schneeschuhwanderung in Kuusamo, Finnland.

Langlauf

Hin und wieder kreuzen wir beim Schneeschuhwandern die Langlaufloipe. Das erinnert meinen Schatz daran, dass man im Kuusamo Tropiikki auch Langlaufski ausleihen kann. Alleine die Zeit fehlt für einen ausführlichen Ausflug in den Weiten des Loipennetzes.

Kuusamo, Finnland: Langläufer. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Langläufer in Kuusamo.

Den Ski-Profis zuschauen in Ruka

Am Silvestertag haben wir ausnahmsweise kein Programm und fahren deshalb mit dem Linienbus nach Ruka. Der Wintersportort gehört zur Stadt Kuusamo und liegt auf 250 Metern Höhe am Fuße des knapp 500 Meter hohen Höhenzugs Rukatunturi. 28 beleuchtete Pisten unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade führen von den Hügeln hinab in die Hochebene. Das klingt nicht spektakulär, doch bis Anfang Mai ist hier das Skifahren möglich. Neben den Pisten gibt es beleuchtete Loipen ohne Ende, Sprungschanzen und eine Biathlonanlage.

Kuusamo, Finnland: Beleuchtete Skipisten am Rukatunturi und Statue des in Kuusamo geborenen Skilangläufers Kalevi Oikarainen. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Skipisten am Rukatunturi und Statue des in Kuusamo geborenen Skilangläufers Kalevi Oikarainen.

Kuusamo, Finnland: Beleuchtete Skipiste am Rukatunturi, Ruka. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Kuusamo, Finnland: Beleuchtete Loipe am Rukatunturi, Ruka. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag
Kuusamo, Finnland: Ruka Ortskern. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Zentrum von Ruka mit Weihnachtsbaum und Skipisten im Hintergrund.

Kuusamo, Finnland: Beleuchtete Skipisten am Rukatunturi, Ruka. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Skipisten am Nachmittag am Rukatunturi, Ruka-Kuusamo.

Bei unserem Spaziergang beobachten wir eine Gruppe junger Skifahrer, die unter Anleitung eines Trainers halsbrecherische Sprünge üben.

Zuvor hatten wir in einem urigen Wildspezialitäten-Restaurant namens Riipisen Riistaravintola leckere Snacks und Glöggi, den traditionellen finnischen Punsch probiert. Ein Jammer, dass wir nicht richtig großen Hunger hatten, denn die Karte klingt äußerst verlockend. Hier gibt es beispielsweise sautiertes Bärenfleisch, Elch-Carpaccio mit Emmentaler aus Kuusamo und Nudeln mit geräuchertem Rentierfleisch.

Kuusamo, Finnland: Riipisen Wildspezialitätenrestaurant am Rukatunturi, Ruka. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Riipisen Wildspezialitäten-Restaurant und Hütte zum Aufwärmen für Skifahrer in Ruka.

Kuusamo, Finnland: Beleuchtete Skipiste am Rukatunturi, Ruka. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Beleuchtete Skipiste am Rukatunturi beim Riipisen Restaurant und Hütte.

#6: Saunieren und eisbaden wie die Finnen

Der Finnen liebste Beschäftigung ist das Saunieren. Entweder in der Sauna zuhause, in einer Saunahütte am See oder in einer öffentlichen kleinen Saunahütte am Wegesrand. Das Schwitzen gehört für die Finnen zum täglichen Ritual. Früher hat man sogar verstorbene Familienmitglieder in die Sauna gelegt, bis die Erde im Frühling aufgetaut war und die Bestattung ermöglichte.

Wie bereits erwähnt hatten wir in Kuusamo eine eigene Sauna im Appartement. Doch das richtige finnische Saunaerlebnis verspricht ein Besuch in der großen zum Resort Tropiikki gehörenden Blockbohlensauna am See. So versammeln wir uns an einem Spätnachmittag in der riesigen, knallheißen Sauna um den größten Saunaofen, den ich je gesehen habe. Da die Herren der Schöpfung sich dann noch einen Aufguss wünschen, muss ich die Sauna vorzeitig verlassen. Das ist zu viel für mich! Ich stapfe in Badelatschen bei -16 Grad durch den Schnee und sauge die kalte Luft ein – das reicht mir zur Abkühlung. Auf die Mutigen wartet das Eisloch im See oder der Tiefschnee zum Reinwerfen.

Kuusamo, Finnland: Blockbohlensauna im Kuusamon Tropiikki. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Blockbohlensauna am See mit Loch zum Eisbaden im Kuusamon Tropiikki.

#7: Polarlichter jagen

Mit der Lage knapp südlich des Polarkreises bietet Kuusamo die besten Voraussetzungen, um Polarlichter zu sehen. Um die Himmelserscheinung nicht zu verschlafen, haben meine Kinder Polarlicht-Apps auf den Smartphones installiert. Doch oft war der Himmel bewölkt und dagegen kann die beste App nichts ausrichten.

An unserem letzten Abend in Finnland ist die Wahrscheinlichkeit laut Vorhersage hoch wie nie zuvor. Schon tagsüber war bestes Wetter gewesen. Gegen 22 Uhr halten wir es nicht mehr aus im Haus. Die App steht auf Dunkelrot, wir stapfen für freie Sicht nach Norden an den See und starren zum Himmel.

Da! War da nicht ein grau-grünliches Licht in der Dunkelheit? Bald darauf ist kein Zweifel mehr möglich. Grünes Licht tanzt über dem Wald und dem zugefrorenen See, bewegt sich nach links und nach rechts und nimmt schließlich Ausmaße an, dass ich nicht weiß, wohin ich als erstes blicken soll. Magie pur!

Kuusamo, Finnland: Nordlicht. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Nordlicht in Kuusamo …

Übernachtung in einer Glasvilla

Es gibt übrigens in Finnland die Möglichkeit, Polarlichter vom kuscheligen Bett aus zu beobachten. Dazu mietet man sich in einer Glasvilla, beispielsweise in den Magical Pond Nature Igloos in Rukatunturi oder im Iisakki Glass Village  ein. Aber: Polarlichtgarantie kann es natürlich auch hier nicht geben.

Ich denke jedenfalls schon wieder über einen Winterurlaub in Finnland nach. Zu schön war diese Woche und eigentlich nicht zu toppen. Oder vielleicht doch? Die Glasvillen würden mich schon reizen, oder ein Saunabesuch im Iglu. Auch eine Wanderung im Nationalpark Oulanka in der wilden Taiga von Kuusamo muss beim nächsten Besuch im Nordosten Finnlands auf dem Programm stehen.

Alle Fotos, sofern nicht anders kennzeichnet: Beate Ziehres

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Ardèche: 7 Tipps für den Norden https://www.reiselust-mag.de/ardeche-norden/ Mon, 15 Aug 2022 15:09:29 +0000 https://www.reiselust-mag.de/?p=5238 Im Norden des französischen Departements Ardèche reichen sich entlang des Flusses Doux unberührte Natur und geschichtsträchtige Orte die Hand.

Der Beitrag Ardèche: 7 Tipps für den Norden erschien zuerst auf Reiselust-Mag.

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Auf der Heimreise aus dem äußersten Südwesten Frankreichs machen wir für einige Tage Station in der Ardèche. Das Departement liegt im Südosten des Landes in der Region Auvergne-Rhône-Alpes und gehört zum Zentralmassiv. Der Zufall führt uns in den Norden des Departements. Hier erreicht die Gebirgslandschaft Höhen von bis zu 1700 Metern. Im Winter ist es kühl und windig, im Sommer heiß. Die Menschen leben hier hauptsächlich von der Landwirtschaft und zunehmend vom Tourismus. Franzosen, die in der Ardèche ihren Urlaub verbringen, lieben die Natur und suchen Ruhe. Dies vorausgeschickt kommen nun meine Tipps für den nördlichen Teil des Departements Ardèche.

#1: Boucieu-le-Roi – die Wurzeln der Ardèche

Nirgendwo ist man den Wurzeln dieses Landstrichs näher als im kleinen Ort Boucieu-le-Roi. Als bekennender Liebhaber malerischer Altstädte hat mich Boucieu-le-Roi mit seinen alten Steinhäusern und stillen Winkeln regelrecht verzückt.

Die geschichtliche Bedeutung des 250-Seelen-Dorfes habe ich erst nach einiger Recherche verstanden. Das 1790 gegründete Departement Ardèche ist fast deckungsgleich mit der historischen Grafschaft Vivarais. Boucieu-le-Roi war von 1291 bis 1565 die Hauptstadt des Gebiets Haut Vivarais. Der französische König Philippe der Schöne richtete zu Beginn dieser Periode in Boucieu einen königlichen Gerichtshof ein, der für den gesamten Bereich Haut Vivarais zuständig war.

Maison du Bailli

Es heißt, man könne dem traditionellen Vivarais in Boucieu noch heute nachspüren. Der Sitz des königlichen Gerichtshofes, das Maison du Bailli, ist erhalten geblieben und fällt beim Bummel durch die Gassen auf jeden Fall ins Auge. Das charakteristische Granithaus mit den hellgrauen Fensterläden ist der wichtigste Zeuge der Blütezeit Boucieus.

Maison Bailli, Boucieu-le-Roi, Ardèche, Frankreich. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Maison Bailli in Boucieu-le-Roi.

Wallfahrtskirche St. Johannes

Später prägte der Missionar Pierre Vigne den Ort. Sein Name ist allgegenwärtig. Er kam 1712 nach Boucieu und blieb, nachdem er topografische Ähnlichkeiten mit Jerusalem entdeckt hatte. Drei Jahre später gründete er hier den Orden des Allerheiligsten Sakraments. Die Gebeine des seliggesprochenen Pierre Vigne ruhen in der Kirche St. Johannes der Evangelist, heute einem Wallfahrtsort.

In der Burg über dem Ort widmet sich ein ganzjährig geöffnetes Museum dem Missionar Pierre Vigne.

Kirche St. Johannes in Boucieu-le-Roi, Ardeche, Frankreich. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Wallfahrtskirche St. Johannes in Boucieu-le-Roi.

Nach dem Bummel durch die kleine königliche Stadt brauchen wir eine Erfrischung. Wir finden sie auf dem Dorfplatz im Schatten ausladender Bäume. Hier serviert die Kellnerin des Restaurants „Le Petit Bociu“ hausgemachtes Eis. Ich entscheide mich unter anderem für fruchtiges Himbeer-Sorbet – einfach köstlich!

Boucieu-le-Roi im Département Ardèche, Frankreich. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Restaurant „Le Petit Bociu“ an der Hauptstraße von Boucieu-le-Roi.

#2: Désaignes – lebendige Geschichte der Ardèche

Das Dorf Désaignes wurde an einem der ersten Handelswege, die das Rhône-Tal mit den Bergen der Ardèche verbanden, gegründet. Schon mehrere Jahrhunderte vor Christus bauten die Römer hier Thermen und Villen. Zeugen aus vorchristlicher Zeit finde ich hier allerdings nicht.

Stadtmauer und Stadttore

In den engen Kopfsteinpflastergassen, durch die wir heute bummeln, fühle ich mich stattdessen zurückversetzt ins Mittelalter. Teile der Stadtmauer und vier Stadttore haben die Zeit überdauert. Ein besonderer Blickfang ist hier das Stadttor Porte du Bourg de l’Homme direkt an der D533 zwischen Saint-Agrève und Lamastre. Es trägt das Wappen der Familie Tournon, den Herren von Désaignes.

Mittelalterliches Stadttor in Désaignes, Ardèche, Frankreich. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Stadttor Porte du Bourg de l’Homme, Désaignes.

Altstadt, Burg und Museum

Vorbei am Brunnen Fontaine Barbière und an der romanischen Kirche erreichen wir die alte Festung auf einem Hügel. Der älteste Teil der Burg stammt aus dem 14. Jahrhundert. In ihrem Innern sollen sich schöne architektonische Elemente wie Kamine, Wendeltreppen und Gewölbekeller verbergen.

Romanische Kirche im Ortskern von Désaignes. Ardèche, Frankreich. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Romanische Kirche im Ortskern von Désaignes.

Burg Désaignes, Ardèche, Frankreich. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Burg Désaignes im Departement Ardèche.

Gegenüber der Burg kann ich einen Blick in eine alte Schmiede und in die Werkstatt des Schuhmachers werfen. Beide Werkstätten zählen zum Museum des ländlichen Lebens, das in der Burg und in Häusern um die Burg herum untergebracht ist.

Historische Schmiede, Museum Burg Désaignes, Ardèche, Frankreich. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Historische Schmiede, Museum Burg Désaignes.

Museum Burg Desaignes, Ardèche, Frankreich. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Rechts im Bild die Schmiede und die Schuhmacherwerkstatt des Museums in der Burg Désaignes.

Und da es natürlich wieder heiß ist, gönnen wir uns in der Auberge de la Fontaine am Place Barbière ein Eis, diesmal ein Sorbet aus schwarzen Johannisbeeren (Cassis). Unvergleichlich! Muss man in Frankreich unbedingt probiert haben!

Extratipp 1: Nächtliche Führungen

Während der Hauptreisezeit – im Jahr 2022 von 20. Juli bis 24. August – werden jeden Dienstag und Donnerstag besondere Nachtführungen angeboten. Für den Besuch des Ortes Désaignes und des Schlosses sind auch Audio-Guides verfügbar.

Extratipp 2: Mittelalterfest

Jedes Jahr im August findet in Désaignes das traditionelle Mittelalterfest statt. Ein Markt mit „zeitgenössischen“ Produkten, Troubadouren und einer mittelalterlichen Taverne zählen ebenso zum Fest wie Ritter, ein mittelalterliches Lager und nächtliche Shows der Akrobaten. Im Zentrum des Geschehens steht natürlich das Leben auf der Burg.

#3: Der Doux und seine Brücken

Der Norden des Departements Ardèche ist geprägt durch den Fluss Doux. Er durchfließt die Gebirgslandschaft in West-Ost-Richtung und mündet bei Tournon-sur-Rhône in die Rhône. Auf ihrem Weg ins Tal haben sich die Wassermassen im Laufe der Zeit tief ins Gebirge eingeschnitten und die Schluchten des Doux geformt.

In diesem Sommer können wir uns solche Kraft kaum vorstellen, denn der Doux führt kaum Wasser und plätschert friedlich vor sich hin. Die runden Steine im Flussbett zeugen jedoch von der Naturgewalt. Auch die Breite des ausgetrockneten Flussbetts lässt erahnen, welche Wassermengen hier im Frühling ins Tal strömen.

Der Fluss Doux im Departement Ardèche, Frankreich. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Der Fluss Doux im Norden des Departements Ardèche.

Neben der Schlucht zählen die zahlreichen mittelalterlichen Brücken zu den Sehenswürdigkeiten entlang des Doux. Die bekannteste Brücke ist der Pont Grand am Ausgang der Schlucht in der Nähe von Tournon-sur-Rhône. Uns hat der Pont du Roi mit drei Bögen und der Mühlenruine am nordwestlichen Ende des Viadukts besonders gut gefallen. Die Königsbrücke bei Boucieu-le-Roi wurde Ende des 15. Jahrhunderts gebaut und erfüllt noch heute ihren Zweck.

Mittelalterliche Brücke mit Motorradfahrer, Ardèche, Frankreich. Foto: Bernd Ewert, Reiselust-Mag

Der Jahrhunderte alte Pont du Roi ist noch heute eine wichtige Straßenverbindung.

Mittelalterliche Brücke, Ardèche, Frankreich. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Pont du Roi über den Doux bei Boucieu. Oben rechts im Bild die Burg von Boucieu-le-Roi.

Alle mittelalterlichen Brücken über den Doux ähneln sich in ihrer Art: Sie sind aus Granit gebaut, verfügen über einen oder mehrere Bögen, werden von flachen Steinmauern begrenzt und sind nur einspurig befahrbar. Auch der historische Dampfzug Mastrou quert den Fluss während seiner Reise durch die Schlucht des Doux über traditionelle Viadukte.

#4: Die Schlucht des Doux

Die wildromantische Schlucht des Flusses Doux ist vor der Mündung in die Rhône am schönsten. Diese weitgehend unberührte Landschaft lässt sich ausschließlich mit einer Draisine oder dem historischen Dampfzug Mastrou erkunden. Der auch Train de l’Ardèche genannte Zug verkehrt regelmäßig zwischen dem Bahnhof Saint Jean de Muzols und Lamastre. Die Draisinen (Velorail) haben ihren Heimatbahnhof in Boucieu-le-Roi.

Abfahrtszeiten des Mastrou

Der Dampfzug Train de l’Ardèche mit den stilvollen Waggons fährt in 2022 bis zum 30. Oktober. Die Saison beginnt üblicherweise Anfang April. Abfahrt ist um 10.15 Uhr am Bahnhof Tournon St. Jean, Ankunft in Lamastre gegen 12 Uhr. Die Rückfahrt von Lamastre startet um 15.15 Uhr. Gegen 17 Uhr ist der Eisenbahnveteran wieder in Tournon St. Jean.  Es wird empfohlen, 45 Minuten vor der Abfahrt des Zuges am Bahnhof zu sein – und sei es nur, um vor Fahrtantritt gewisse Örtlichkeiten aufzusuchen.

Routen der Draisine

Für die Fahrt mit dem Schienenfahrrad stehen vier Abfahrten zur Auswahl. Wie die Bezeichnung der Routen schon vermuten lässt: Es geht bergab! Mit 20 Kilometern ist die Route „La Grande Aventure“ die längste. Vier Stunden Fahrzeit sind hier zu veranschlagen, die Tour wird als sportlich eingestuft. Anfängern empfiehlt der Betreiber die 8 Kilometer lange „Descente des Châtaigniers“ (Abfahrt der Kastanienbäume). Fahrkarten können im Vorverkauf auf der Seite von Velorail Ardèche erworben werden.

Erfahrungsbericht einer Bloggerin

Wer des Französischen oder des Englischen mächtig ist, findet auf dem Reiseblog Curiosity-Escapes.com ein Video über die Kombination aus diesen beiden Abenteuern: der Fahrt mit dem Schienenfahrrad  und der Dampfeisenbahn.

Reisebloggerin Estelle fand die 8 Kilometer lange Tour mit der Draisine durch die Schlucht des Doux übrigens sehr entspannend und keinesfalls anstrengend. Sie ist mit dem Dampfzug im Rhônetal am Bahnhof Saint Jean de Muzols gestartet und bis nach Boucieu-le-Roi gefahren. Von hier geht es mit einem dieselbetriebenen historischen Schienenbus weiter bergauf.

Das Gefährt, dessen charakteristisches Tuten tagein, tagaus durch die Schlucht des Doux schallt, transportiert nicht nur die Passagiere. Im Schlepptau zieht der Schienenbus die Draisinen bis zum Startpunkt oder nach der Abfahrt von Boucieu zurück zum Ausgangspunkt. Geradelt wird im Konvoi.

#5: Lac de Devesset – baden in der Ardèche

Bei unserem Besuch in der Ardèche hatten wir „Glück“ mit dem Wetter: Die Temperaturen näherten sich tagsüber der 40-Grad-Marke. Eine Motorradtour ist bei diesem Wetter nicht das pure Vergnügen. Lionel, als Chef des Campingplatzes „Les Berges Du Doux“ unser Gastgeber und selbst Motorradfahrer, hat uns einen Ausflug zum Lac de Devesset empfohlen.

Strand am Lac de Devesset, Ardèche, Frankreich. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Strand auf 1000 Metern Höhe am Lac de Devesset, Ardèche.

Baden

Der See bei Saint-Agrève liegt auf 1000 Metern Höhe. Dementsprechend ist es dort auch im Sommer nicht drückend-heiß, sondern angenehm warm und das Wasser noch erfrischend. Die Besucher finden auf riesigen Wiesenflächen am Ostufer schattige und sonnige Plätze zum Liegen. Außerdem gibt es einen Sandstrand.

Das eisenhaltige Wasser fand ich zum Baden verglichen mit dem Atlantik etwas gewöhnungsbedürftig, aber es bietet willkommene Abkühlung.

Segeln und Segeln lernen

Die Wassersport-Basis am Ostufer des Lac de Devesset verleiht Wasserfahrzeuge aller Art, vom Optimisten über Kanus bis hin zu Segelkatamaranen. Auch Segelkurse werden hier angeboten. Für Anfänger ist der unaufgeregte See mit seiner glatten Oberfläche und allenfalls mäßigem Wind das optimale Revier für erste Versuche.

Segelboote am Lac de Devesset, Ardèche, Frankreich. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Segelboote am Lac de Devesset.

Die kurvenreiche Fahrt durch schattige Tannenwälder zwischen Boucieu-le-Roi und Saint-Agrève macht mit dem Motorrad übrigens richtig Spaß! Insofern besten Dank an Lionel für diesen Tipp!

#6: Essen wie Gott in Frankreich

Mehrmals wöchentlich verwöhnt Chefin Laurence die Gäste des Campingplatzes „Les Berges Du Doux“ mit kulinarischen Köstlichkeiten aus der Ardèche. Wir kommen an einem Mittwochabend in den Genuss von „Gratin de ravioles du Dauphiné“.

Ravioles

Dauphiné-Ravioli sind eine Spezialität der Drôme, einem Nachbar-Departement der Ardèche. Die Teigtaschen sind gefüllt mit Quark, Comté, Emmentaler und viel Petersilie. Laurence gibt Champignons zu diesen kleinen Kalorienbomben, bevor sie als Gratin in den Ofen kommen. Alle Zutaten sind umhüllt von einer sahnigen Käsesoße. Eine Offenbarung! Dazu gibt es eine Salatbeilage.

Fondant au Chocolat

Als die Dunkelheit schon anbricht auf der Terrasse und Lionel die Lichterketten anschaltet, gönnen wir uns noch einen Nachtisch: Fondant au chocolat – kleine Schokoladenkuchen mit einem flüssigen Kern, dazu eine Kugel hausgemachtes Eis! Muss ich noch etwas sagen? Un café beziehungsweise ein Limoncello aus der gut sortierten Bar sorgen gefühlt für etwas Ordnung im Magen.

Genudelt im wahrsten Sinne des Wortes und mit dem festen Vorsatz, diese Köstlichkeiten zuhause auszuprobieren, sinken wir nach dem Abendessen ins Bett.

#7: Camping in der Ardèche

Die Ardèche ist die letzte Station unserer Wohnmobilreise durch Frankreich. Deshalb habe ich mir bei der Reiseplanung mit der Auswahl eines Campingplatzes erst Zeit gelassen und am Ende echt schwer getan. An allen Kandidaten rund um den Touristenmagneten Pont d’Arc fand die Camping-Gemeinde irgendetwas auszusetzen.

Camping Les Berges Du Doux

Wie ich bei einem neuen Anlauf plötzlich beim Campingplatzes „Les Berges Du Doux“ gelandet bin, weiß ich nicht mehr. Ruhig und trotzdem günstig am Fluss Doux gelegen, mit 15 Mietunterkünften und 21 Stellplätzen klein und familiär, schattige Stellplätze unter Platanen, als sehr sauber gelobte Sanitäreinrichtungen, geheizter Pool, Bar, Brötchenservice – was will man mehr.

Die Reservierung funktioniert problemlos auf Englisch und wir müssen schon vor der Ankunft die Flexibilität der Betreiber auf die Probe stellen. Die Fahrt vom Atlantik in die Ardèche hat sich weit länger gezogen als geplant. Aber alles kein Problem!

Französisch entspannt

Bei unserer Ankunft ist der Chef noch damit beschäftigt, die Gäste auf der gemütlichen Terrasse mit Eiskugeln und Getränken zu bewirten. Die Chefin bietet uns nach dem verspäteten Einchecken an, eine abendliche Runde im verlassenen Pool zu schwimmen. Vor der Bar lädt ein Sandplatz zum Boule spielen ein und an manchen Abenden wird auf der Terrasse ausgelassen gefeiert bis Mitternacht. So stelle ich mir den Sommer in Frankreich vor.

Extratipp: Gegen die tagsüber allgegenwärtigen Fliegen und Wespen hilft ein Moskitonetz. Denn Urlaub in der Ardèche ist Urlaub auf dem Land. Mit allen Vorzügen wie unberührte Natur und ungestörte Ruhe, aber auch überraschenden Tierbegegnungen.

Fotos, sofern nicht anders gekennzeichnet: Beate Ziehres

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So schmeckt Umbrien: Kochkurs in der Villa La Rogaia https://www.reiselust-mag.de/umbrien-kochkurs/ Tue, 01 Feb 2022 20:05:40 +0000 https://www.reiselust-mag.de/?p=5122 Mediterrane Genüsse vom Feinsten, viel Spaß und die unwiderstehlich gute Laune einer echten italienischen Mamma – das erwartet uns während eines Kochkurses in der Villa Rogaia in Umbrien.

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Wenn Mamma Ornella eine buntgemischte Gruppe wissbegieriger Hobbyköche in die Geheimnisse der echten umbrischen Küche einweiht, ist man im Agriturismo La Rogaia gelandet. Dieses Glück wurde uns im vergangenen Herbst zuteil. Auf Einladung der Hausherrin Annette Greifenhagen reisten wir nach Italien, genauer gesagt in die bewaldeten Hügel zwischen Perugia und Lago Trasimeno. Die rustikale Villa La Rogaia und ihr Garten inmitten der urwüchsigen Landschaft Umbriens bilden die Kulisse für einen Kochkurs der besonderen Art.

Das Herz und die Seele der Küche ist in diesen Tagen Ornella Carletti. Die resolute, herzensgutmütige Köchin füllt die Räume mit ihrer Gegenwart und guter Laune. Wenn Mamma Ornella mit einem „Allora“ anhebt, um den Speiseplan zu verkünden, verstummt das muntere Stimmengewirr am großen Küchentisch.

Kochkurs in Umbrien: Ornella erklärt Schiacciatine al formaggio. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Temperamentvoll italienisch – Ornellas Erklärungen.

Wie die Jünger hängen wir jeden Nachmittag erneut an ihren Lippen – immer in der Hoffnung, ihre klangvollen Worte deuten zu können. Aus dem Mund der Maestra klingen Begriffe wie Linguine allo scoglio, Coniglio del buon ricordo und Sorbetto al limoncello wie die reinsten Verheißungen. Und tatsächlich: Was immer wir unter Ornellas Anleitung zubereiten ist eine Offenbarung.

Beste Zutaten aus der Region Umbrien

„Das Geheimnis der italienischen Küche ist die Qualität der Zutaten“ erklärt Annette Greifenhagen bereits am ersten Tag des Kochkurses. So verwendet Ornella am liebsten regionale und saisonale Erzeugnisse, gerne auch aus dem Garten der Villa La Rogaia. Das Fleisch stammt vom Schlachter ihres Vertrauens. Fisch, Meeresfrüchte und Gemüse ersteht die Köchin vorzugsweise auf dem Markt.

An einem Nachmittag präsentiert Ornella stolz ein Stück zart marmoriertes Rindfleisch. Es ist das Bürgermeisterstück –  besonders zartes und wohlschmeckendes Muskelfleisch – des Chianina Rinds. Die prächtigen weißen Chianina Rinder sind in Umbrien heimisch. Sie dienten den Bauern früher erst als Zugtiere und am Ende ihres Lebens als Braten. Wenige Stunden später zergeht mir das Fleisch auf der Zunge.

Kochkurs in Umbrien: Annette Greifenhagen, Ornella Carletti. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Kochkurs in Umbrien: Ornella schneidet das Fleisch. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Doch halt, soweit ist es noch nicht. Kenner der italienischen Küche wissen, dass das Fleisch erst gegen Ende mehrstündiger Schlemmerei auf den Tisch kommt. In der Villa La Rogaia ist das nicht anders.

„Italienische Küche ist eine Art Trennkost. Kohlehydrate in Form von Nudeln, Risotto oder Polenta isst man als Primi, danach Proteine und Fasern, sprich Fleisch und Gemüse. Eigentlich ist man schon nach den Nudeln satt.“
Annette Greifenhagen, Gastgeberin und Hausherrin La Rogaia

Nachdem uns Ornella um den großen Küchentisch versammelt hat, erklärt sie, was aus den Zutaten entstehen wird. Alleine beim Anblick und Zuhören läuft mir schon das Wasser im Munde zusammen.

Kochkurs in Umbrien: Ornella Carletti in der Küche. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Die Maestra erklärt die Besonderheiten des Pecorino.

Mit dem Appetithäppchen beginnt die Schlemmerei

An diesem Abend gibt es als Stuzzichino – also Vorspeise – Schiacciatine al formaggio mit Capocollo und Lardo di colonnata sowie Gorgonzola mit Honig und Birne. Schiacciatine al Formaggio ist ein würziger Blechkuchen. Den Teig bereitet Mamma Ornella im Handumdrehen aus Unmengen Joghurt, Eiern, geriebenem Parmesan und Emmentaler. Zack, aufs Blech und in den Ofen.

Während der Kuchen im Ofen steht, schneidet die Köchin mit der Maschine Lardo di colonnata, einen ganz besonderen, regionalen Speck, in hauchdünne Scheiben.

Das Ergebnis ist ein schnell zubereiteter Gaumenkitzel, der fürs erste sättigt und auch in Deutschland immer hervorragend ankommt.

Kochkurs in Umbrien: Schiacciatine al formaggio. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Kochkurs in Umbrien: Appetithappen. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Pasta oder Risotto als 1. Gang

Nach dieser Stärkung kommen schließlich auch wir Küchenlehrlinge zum Einsatz. Es gilt, ein Waldpilzrisotto vorzubereiten sowie die Gemüse, die zum Fleisch gereicht werden.

Für das Risotto hat Ornella Steinpilze, Parasol, Pfifferlinge und winzige „Pioppini“, einen regionalen Pilz Umbriens mitgebracht. Mit vereinten Kräften sind die Pilze schnell geputzt und geschnitten. Bei dieser Gelegenheit lernen wir, dass für Risotto grundsätzlich drei Töpfe benötigt werden: ein Topf für den Reis, ein Topf, um die geschmackgebenden Gemüse zu garen und einen für die heiße Brühe. Die Brühe wird schöpflöffelweise zum Reis gegeben – Freunden der italienischen Küche werde ich damit keine Neuigkeiten erzählen.

Kochkurs in Umbrien: Beim Gemüse putzen. Foto: Lena Ziehres, Reiselust-Mag Kochkurs in Umbrien: Pilze fürs Risotto.Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Kochkurs in Umbrien: Risotto. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag
Kochkurs in Umbrien: In der Küche. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Im Zentrum des Geschehens in der Küche steht Ornella.

Während auf dem Herd das Risotto leise köchelt und ab und zu hingebungsvoll gerührt wird, widmet sich Ornella dem Fleischgericht – der Tagliata di vitello Chianina. Das Fleisch stellt an diesem Tag den Höhepunkt der Speisenabfolge dar. Nachdem die Köchin das Bürgermeisterstück des Chianina-Rinds in gleich dicke Stücke geschnitten hat, gibt sie in eine Pfanne sehr viel Olivenöl, einige Zweige Rosmarin aus dem Garten, Knoblauchzehen und eingelegten grünen Pfeffer. Diese Pfanne stellt Ornella bei kleiner Flamme auf den Herd und erhitzt das Öl sehr langsam. Schon steigt ein köstlicher Geruch aus der Pfanne auf, doch wir müssen uns noch gedulden.

Fleisch, Fisch und Gemüse – der 2. Gang

In der Zwischenzeit kümmert sich Mamma Ornella um das Gemüse zum Fleisch. Es gibt Carote e cipolle in agrodolce und Fagiolini al basilico. Karotten und Zwiebeln werden süßsauer zubereitet, die grünen Bohnen mit Knoblauch, Basilikum und Balsamico verfeinert.

Schließlich versammeln sich alle Kursteilnehmer an der langen Tafel. Wir genießen das weltbeste Waldpilz-Risotto, natürlich mit dem passenden Wein. Annette hat zum Risotto einen wunderbar spritzigen Schaumwein ausgewählt, den Spumante brut von der Cantina Terre del Carpine in Magione.

In der Küche hat Ornella derweil das Fleisch bei hoher Hitze angebraten, in Streifen geschnitten und auf dem Teller mit dem heißen Rosmarin-Öl übergossen. Es gilt, sich schnell mit bereitstehendem Gemüse zu versorgen und – zu genießen! Das Fleisch zergeht auf der Zunge und hier explodiert auch der Geschmack. Wahnsinn! So gut schmeckt Umbrien!

Kochkurs in Umbrien: Ornella brät das Fleisch. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Kochkurs in Umbrien: TagliataFoto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Kochkurs in Umbrien: Tagliata mit Bohnen und süßsauren Möhren und Zwiebeln. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Selbstgemachte Pasta

Im Laufe der Woche gibt es auch einen Fisch-Tag und einen Nudel-Tag. An letzterem bringt Ornella ihren Mann mit. Franco gilt als Meister an der Nudelmaschine. Unter seiner Anleitung fertigen wir Mezzelune – wörtlich Halbmonde – mit einer Ricotta-Spinat-Füllung und frische Tagliatelle. Zu den Bandnudeln gibt es übrigens ein Wildschwein-Ragout, das schon mehrere Tage lang mit Rosmarin und Wacholderbeeren köchelte – ebenfalls eine Spezialität Ornellas.

Kochkurs in Umbrien: Nudelteig machen. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Unter Francos Aufsicht misst Lena die Zutaten für den Nudelteig ab.

Kochkurs in Umbrien: Foto: Lena Ziehres, Reiselust-Mag Kochkurs in Umbrien: Lena an der Nudelmaschine. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Kochkurs in Umbrien: Männer an der Nudelmaschine. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Kochkurs in Umbrien: Mezzelune ai spinaci e ricotta con burro e salvia. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Kochkurs in Umbrien: Tagliatelle al ragù di cinghiale. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Ich muss an dieser Stelle noch erwähnen, dass uns die Mamma zum Abschluss jedes Menüs mit ein oder zwei unwiderstehlichen Nachspeisen verwöhnt. Zu nennen wäre hier beispielweise ein unvergleichlich leckeres Sorbetto al limoncello, Crescionda oder der Cheesecake allo yoghurt.

Während Ornella knetet, rührt, schneidet und brät, unterhält sie ihre Schüler mit allerlei Schabernack. Ein Tänzchen um den Küchentisch? Natürlich! Gleichzeitig lernen wir auf vergnügliche Weise die Küche Umbriens etwas besser kennen. Allora:

7 wissenswerte Facts aus der echten umbrischen Küche

• Die Küche Umbriens kommt mit wenigen, aber qualitativ sehr hochwertigen Zutaten aus.
• Der Eigengeschmack der Zutaten ist Trumpf, deshalb kommt kein Amaretto ans Tiramisu, sondern Cognac.
• An köstlichem Olivenöl – am besten regionaler Herkunft – wird hier nicht gespart.
• Für die Soßen werden geschmacksgebende Zutaten kalt in Olivenöl aufgesetzt, langsam erhitzt und etwas köcheln gelassen.
• Oregano kommt nie zum Fleisch, sondern allenfalls auf die Pizza
• Knoblauchzehen werden maximal einmal durchgeschnitten, aber eher ganz verwendet.
• In Risotto und Pesto kommt kein Parmesan, vielmehr wird der Käse frisch über das fertige Gericht gerieben.

Mit einem Rezepte-Schatz im Koffer und ganz vielen neuen Inspirationen verlassen wir La Rogaia nach einer Woche wieder in Richtung Deutschland. Ich habe unter anderem gelernt, dass umbrisches Fladenbrot (Torta al testo) in der Pfanne gebacken wird – sehr empfehlenswert! –, wie man in Umbrien Spinat zubereitet und wie lange echter Balsamico reift.

Kochkurs in Umbrien: Torta al testo. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Kochkurs in Umbrien: Torta al testo con salsiccie. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Kochkurs in Umbrien: Torta al testo con rucola e stracchino. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Etliche Rezepte habe ich inzwischen zuhause nachgekocht, einige sind geschmacklich leider nicht an Ornellas Werke herangekommen. Aber: Versuch macht klug. Im Zweifelsfall buche ich wieder einen Kochkurs mit der temperamentvollen Maestra Ornella in La Rogaia.

Gemüse in der Küche Umbriens

Unser Tipp am Rande: Vegetarier sollten sich nicht abschrecken lassen von der Fleischliebe der umbrischen Küche. Meine Tochter und Reisegefährtin Lena ist als Vegetarierin jeden Tag satt und glücklich ins Bett gegangen. Mehr noch: Die „Extrawürste“ für Lena haben so lecker ausgesehen und geschmeckt, dass sich die Gruppe einige Gerichte ebenfalls gewünscht hat. Ich sage nur „echte Caprese“!

Kochkurs in Umbrien: Caprese. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Caprese alla Ornella.

Kochkurs in Umbrien: Gemüse in der Pfanne. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Kochkurs in Umbrien: Auberginen in Tomatensoße. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Kochkurs in Umbrien: Gebratene Auberginen. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag
Kochkurs in Umbrien: Penne ai peperoni e pesto di rucola. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Einer meiner vegetarischen Favoriten: Penne ai peperoni e pesto di rucola. Lecker!

Der Kochkurs in La Rogaia schließt übrigens mit einem weiteren kulinarischen Highlight: einer Exkursion mit Trüffelsuche, Trüffelverkostung und Besuch eines Weinbauern, der auf traditionelle Weise den umbrischen Dessertwein Vin Santo herstellt. Darüber berichte ich demnächst ausführlich.

Die nächsten Kochkurse „La vera cucina Umbra“ in La Rogaia finden im Mai und im Oktober/November 2022 statt. Weitere Informationen und Buchungen auf der Webseite von La Rogaia.

Alle Fotos, sofern nicht anders angegeben: Beate Ziehres

Die Recherche für diesen Beitrag wurde vom Agriturismo La Rogaia unterstützt. Eine inhaltliche Einflussnahme ist damit nicht verbunden.

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Wielkopolska – 6 Gründe für Urlaub im historischen Kern Polens https://www.reiselust-mag.de/wielkopolska-polen/ https://www.reiselust-mag.de/wielkopolska-polen/#comments Sun, 25 Jul 2021 15:31:51 +0000 https://www.reiselust-mag.de/?p=5000 Urlaub in Wielkopolska (Polen) ist entspannend und abwechslungsreich zugleich. Aktivitäten zu Land und auf dem Wasser, Touren zu Schlössern und in geschichtsträchtige Städte, kulinarische Ereignisse – alles ist möglich in Großpolen.

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Großpolen – so die deutsche Bezeichnung für den ältesten Teil von Polen – hat Urlaubern viel zu bieten. Während die Masuren oder die Ferienorte an der polnischen Ostsee vielen Deutschen ein Begriff sind, ist Wielkopolska ein weitgehend unentdecktes Juwel. Dabei versprechen endlose Wälder, einsame Seen, geheimnisvolle Schlösser und vor Lebensfreude prickelnde Städte einen abwechslungsreichen und zugleich entspannten Urlaub. Hier kommen 6 Gründe für eine Reise nach Wielkopolska.

Lage von Wielkopolska in Polen

Die Woiwodschaft Großpolen liegt im nordwestlichen Teil Polens am Fluss Warta, der Warthe. Wielkopolska grenzt östlich an die Woiwodschaft Lebus, die Hauptstadt ist Poznań. Die Gegend ist landwirtschaftlich geprägt. Im nordwestlichen Bereich hat Wielkopolska Anteil an drei Seenplatten. Deshalb wird diese Region auch Land der 100 Seen genannt. Auch eines der größten geschlossenen Waldgebiete Polens liegt hier.

Im Land der 100 Seen in Wielkopolska. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Im Land der 100 Seen in Wielkopolska.

#1: Schlösser, Burgen, Herrenhäuser in der Keimzelle Polens

In der Gegend um die Städte Gniezno und Poznań siedelte ab dem 9. Jahrhundert der slawische Stamm der Polanen. Die Fürsten dieses Stammes gehörten der Herrscherdynastie der Piasten an. Sie gründeten das erste polnische Königreich, stellten die ersten Könige und machten Gniezno zur ersten Hauptstadt des  Königsreichs. Deshalb bezeichnet man die Woiwodschaft Wielkopolska als die Keimzelle Polens.

Noch heute ist Wielkopolska reich an herrschaftlichen Häusern. Eine Liste auf Wikipedia führt mehr als 200 Burgen und Schlösser auf. Sie reicht vom Jagdschloss Antonin bis zu Schloss Żydowo und enthält dabei noch nicht die Schlösser und Palais in der Hauptstadt Poznań.

Die meisten dieser prächtigen Häuser sind erhalten. Sie dienen heute beispielsweise als Hotel, als Museum, als Veranstaltungszentrun oder geben Unternehmen und Forschungseinrichtungen ein Zuhause.

Burg Sieraków. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Wiederaufgebaute Burg Sieraków.

Burg Sieraków

Zu den ältesten erhaltenen Burgen der Region Großpolen zählt die Burg Sieraków. Während einer Radtour durch das Land der 100 Seen rund um Sieraków (Zirke) erkunde ich die Burg. Sie wurde im ausgehenden 14. Jahrhundert gegründet. Heute befindet sich im wieder aufgebauten Südflügel der Anlage das Burg-Museum.

Das Museum widmet sich der Familie Opaliński und der Geschichte der Region Sieraków. Laut Museumsdirektor Robert Jedrzejczak erlebten Burg und Ort wohl ihre besten Zeiten unter den Opalińskis. An die Familie erinnern besonders eindrucksvoll fünf Sarkophage mit sterblichen Überresten der Opalińskis. Einer dieser kunstvoll ausgestatteten Sarkophage ist der von Krzysztof Opaliński. Krzysztof lebte im 17. Jahrhundert, war Politiker und Dichter und hatte für die damalige Zeit recht moderne Ansichten. 1650 errichtete er beispielsweise in Sieraków die erste neuzeitliche Schule Polens.

Sarkophage im Museum Opalinski, Sierakow. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Sarkophage im Museum Opalinski, Sierakow.

Ein Blick in die Ausstellung zeugt auch von der Bedeutung deutscher Bewohner in der Vergangenheit für das ehemalige Zirke. Unter der Überschrift „Es starben fürs Vaterland 1914 bis 1919 aus unserer Gemeinde“ stehen hier 40 Namen aufgelistet, beginnend mit Karl Lehmann und endend mit Friedrich Bartsch.

Gedenktafel im Museum in Sieraków. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Gedenktafel im Museum in Sieraków.

Wieder einmal stelle ich in diesem Museum fest, dass eine Reise nach Polen auch immer eine Reise in die Vergangenheit Deutschlands bedeutet. Sieraków war bis zum Posener Aufstand in den Jahren 1918 und 1919 für annähernd 120 Jahre unter preußischer Herrschaft. Aus dieser Zeit stammt das Exponat im Museum von Sieraków.

Sieraków liegt im Herzen der Seenplatte Pojezierze Międzychodzko-Sierakowskie im Landkreis Międzychód, rund 75 Kilometer nordwestlich von Poznań.

Muzeum Zamek Opalińskich
Stadnina 3a
64-410 Sieraków
Tel. +48 61 295 23 92

Schloss Rogalin

Die Residenz der Familie Raczyński in Rogalin gehört zu den schönsten Schlossanlagen in Polen. Und so verschlägt mir der Anblick von Rogalin erst einmal den Atem. Ein Schloss wie aus dem Märchenbuch, doch ganz real, wie sich beim Betreten herausstellt. In den Zimmerfluchten des Schlosses wimmelt es von Besuchergruppen, die von einem Heer von Schlossführern gebändigt werden.

Schloss Rogalin. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Schloss Rogalin.

Sylwia Korczak ist dafür zuständig, die Schlossbewohner vor meinem Auge auferstehen zu lassen. Beginnend mit Kazimierz Raczyński, der 1768 Rogalin und die umliegenden Güter erwarb und das barocke Palais nebst Garten errichten ließ.

Im Schlafzimmer von Rose, der Tochter des 5. Eigentümers von Rogalin, erfahre ich, dass die Zimmer der Damen immer der Gartenseite zugewandt waren, während die Schlafzimmer der Herren traditionell Blick zum Eingang hatten.

Schlafzimmer von Rose im Schloss Rogalin. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Schlafzimmer der Rose im Schloss Rogalin.

Schloss Rogalin, Barockgarten. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Barockgarten von Rogalin.

Apropos Schlafzimmer: Damit das Schloss über Generationen hinweg bis zum Ende des 20. Jahrhunderts in Familienbesitz bleiben konnte, musste schon Gründer Kazimierz Raczyński in die Trickkiste greifen. Da er keinen Sohn hatte, gab er seine Tochter seinem Cousin zur Frau. Die so Genutzte war anscheinend nicht wirklich glücklich, doch sie erfüllte den Willen ihres Vaters. Sie lebte nach der Vermählung nur noch 6 Jahre, in denen sie fünf Kinder zur Welt brachte. Zwei davon waren Jungs und die Erbfolge gerettet.

Einer der beiden, Edward Raczyński, ließ im Schloss anstelle der Kapelle eine prächtige Bibliothek einbauen. Sie könnte das Vorbild für die Bibliothek in den Harry-Potter-Filmen gewesen sein. Der 5. Eigentümer verwandelte die Bibliothek in einen Speisesaal.

Bibliothek im Schloss Rogalin. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Bibliothek im Schloss Rogalin.

So hinterließ jeder Eigentümer seine Spuren im Schloss. Kazimierz Raczyńskis Urenkel Edward Roger begründete die Gemäldegalerie, für die Alexander Raczyński später Pavillons errichten ließ. Edward Alexander kaufte auch das monumentale Werk, das Jeanne d’Arc auf dem Weg zur Krönung des künftigen Königs in der Kathedrale von Reims zeigt. Das Gebäude musste laut Sylwia Korczak um das Gemälde herum gebaut werden.

Kunstgalerie im Schloss Rogalin. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Kunstgalerie im Schloss Rogalin.

Heute ist das Schloss im Besitz des Nationalmuseums in Poznań. Zwei Töchter des letzten Schlossherren Edward Raczyński leben noch und besuchen Rogalin hin und wieder.

Rogalin liegt im Kreis Poznań in der Gemeinde Mosina am rechten Ufer der Warthe,  etwa 20 Kilometer südlich von Poznań.

Pałac w Rogalinie
Arciszewskiego 2
62-022 Rogalin
Tel. +48 61 813 80 31

#2: Aktivurlaub in Wielkopolska

Wielkopolska ist wie gemacht für Aktivurlaub. So führen beispielsweise Radrouten durch unberührte Natur am Fluss Warta (Warthe) entlang oder verbinden die schönsten Schlösser und Paläste Großpolens. Auf dem Wasser bieten sich ebenso ungezählte Möglichkeiten. Es gibt Wasserwanderwege über Flüsse und Seen, die mit dem Kajak erfahren werden und Schifffahrtswege für Touren mit dem Hausboot.

Radfahren

Im Ferienzentrum Olandia stehen die Räder in Reih und Glied, bereit für eine Tour durch das Land der 100 Seen. Ich suche mir ein passendes Fahrrad aus und radele auf dem Radweg der 100 Seen in Richtung um Sieraków. Die Farbe Grün begleitet mich, hin und wieder unterbrochen von rosa blühenden Rosenhecken am Wegesrand.

Es geht durch Wälder, Wiesen und Felder, immer wieder tauchen – der Name ist Programm – Seen links und rechts des Weges auf. Die Seen liegen eingebettet zwischen sanften, grünen Hügeln. Da ist die eine oder andere Herausforderung für Radler eingebaut.

Radtour durchs Land der 100 Seen, Wielkopolska. Foto: Sandra Fischer

Radtour durchs Land der 100 Seen, Wielkopolska. Foto: Sandra Fischer

Radtour im Land der 100 Seen, Wielkopolska. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Radtour im Land der 100 Seen, Wielkopolska.

Die Radroute ist 111 Kilometer lang und führt von Poznań nach Międzychód. Immer wieder laden kulturelle Sehenswürdigkeiten wie mittelalterliche Schlösser, gotische Basiliken und gemütliche Altstädte mit Kopfsteinpflastergassen zur Besichtigung ein.

Entlang des drittlängsten Flusses in Polen, der Warta, führt der Warthe-Radweg. Er beginnt in Międzychód und endet nach 372 Kilometern am Westufer des Jeziorko-Sees. Der Warthe-Radweg hält nicht nur Naturerlebnisse im Land der 100 Seen und entlang des Flusses Warta bereit. An der Route liegen auch die urigen Landschaften des Wielkopolska-Nationalparks und der Landschaftspark Rogalin mit den legendären 800-jährigen Eichen.

Auf den Spuren adliger Herrschaften führt die Radroute der Burgen und Schlösser durch Wielkopolska. Der Bernstein-Radweg erinnert an die alte Handelsstraße im Osten Wielkopolskas, die das römische Reich mit der Ostsee verband.

Kajakfahren

Eine der besten Möglichkeiten, sich den Schönheiten Wielkopolskas auf dem Wasser zu nähern, ist eine Kajaktour. Auf seichten Gewässern stört kein Motorengeräusch das entspannende Naturerlebnis. Nur Enten, Fische, Libellen und das Konzert der Frösche begleiten die ruhige Fahrt. Bei einem Lagerfeuer kann der Urlaubstag stilecht ausklingen.

Paddeln auf dem See in Prusim. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Paddeln auf dem See in Prusim.

Segeln, Surfen und Touren mit dem Hausboot

Wassersportler kommen in Wielkopolska kaum am Großpolen-Ring vorbei. Diese Wasserstraße umfasst die Flüsse Warta (Warthe) und Noteć (Netze) sowie ein Kanal- und Seengeflecht, das die beiden Flüsse miteinander verbindet. Die Schifffahrtsstraße ist 690 Kilometer lang.

Die Seen bei Konin sind besonders beliebt bei Seglern und Windsurfern. Denn hier herrscht ein beständiger, aber gemäßigter Wind. Doch auch Kitesurfer, Wasserskifahrer und Stand-Up-Paddler finden auf den großen Seen ein geeignetes Revier. An zahlreichen Orten in Wielkopolska können Motorboote, Motorjachten und Hausboote ausgeliehen werden.

#3: Natur in Wielkopolska

Die Landschaft Wielkopolskas wurde von einem skandinavischen Gletscher geprägt. Sanft gerundete Hügelketten, Urstromtäler und die zahlreichen Seen zeugen von dieser Episode in der Vergangenheit. Auf mich hat die unberührte Natur Wielkopolskas einen sehr beruhigenden Einfluss ausgeübt. Ich finde es sehr entspannend, nach einem Tag voller Entdeckungen am Wasser zu sitzen. Wenn die spiegelglatte Oberfläche nur durch springende Fische unterbrochen wird und die Frösche im Schilf ihren vielstimmigen Gesang anstimmen – dann ist für mich Urlaub. In Wielkopolska konnte ich diese Momente jeden Abend genießen.

Im Land der 100 Seen in Wielkopolska. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Im Land der 100 Seen in Wielkopolska.

Wielkopolska Sonnenuntergang. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Sonnenuntergang in Prusim.

Sieraków Landschaftspark

Meine Reise nach Wielkopolska führte eigentlich in den Sieraków Landschaftspark  im Kreis Międzychód. Der Park wird geprägt durch besagte 100 Seen, durch Heide-, Dünen- und Moorlandschaften sowie durch ausgedehnte Wälder. Hier leben auf mehr als 300 Quadratkilometern neben Wildschweinen, Hirschen und Rehen auch Graureiher, Kraniche und geschützte Raubvögel. Hin und wieder werden Wölfe gesehen.

Geheimtipp für Sternengucker

In Chalin-Izdebno befindet sich eine sogenannte Oase des Dunkelhimmels. Hier wird der Himmel vor Lichtverschmutzung geschützt. Es gibt eine Sternwarte und Beobachtungskuppeln.

Geheimtipp für Pilzsammler

Der Urwald Puszcza Notecka ist ein vorwiegend mit Kiefern bewachsenes Dünengebiet an der Flussgabelung von Warta und Noteć. Der Wald gilt als Paradies für Pilzsammler

800-jährige Eichen von Rogalin

In der wahrhaft märchenhaften Umgebung des Schlosses Rogalin wachsen prachtvolle Stieleichen. Viele der mehr als 1000 Exemplare sind Naturdenkmäler. Exemplarisch für diese Ikonen der Landschaft in Wielkopolska habe ich die drei bekanntesten Eichen besichtigt. Sie tragen die Namen Lech, Czech und Rus. Mit einem Stammdurchmesser von 9,15 Metern ist Rus der mächtigste Baum im sagenumwobenen Eichenwald von Rogalin.

800-jährige Eichen von Rogalin. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

800-jährige Eichen von Rogalin.

Die faszinierenden Giganten im Schatten des Palastes von Rogalin leiden heute unter Klimaveränderungen, aber auch unter menschlichen Aktivitäten wie der Regulierung des Flusses Warta. Doch der Mensch sorgt auch dafür, dass die Eichenwälder in dieser Landschaft erhalten bleiben. So werden beispielsweise aus den Baumriesen Lech und Rus jedes Jahr Setzlinge gewonnen.

#4: Essen und Trinken

Wenn immer entspanntes Reisen oder Slow Travel das Thema ist, da ist Slow Food nicht weit. So ist es auch in Wielkopolska. Einen Nachmittag lang habe ich mich durch die historische Küche von Linie w Ogniu gegessen. Hier kochen zwei Paare im ehemaligen Ferkelstall eines landwirtschaftlichen Betriebs aus dem ältesten erhaltenen Kochbuch Polens.

Piotr Michalski bereitet in der historischen Küche Linie w Ogniu Kartoffeln und Fleisch über dem offenen Feuer zu. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Piotr Michalski bereitet in der historischen Küche Linie w Ogniu Kartoffeln und Fleisch über dem offenen Feuer zu.

Mir als überzeugtem Langsam-Esser hat hier zum einen das gemächliche Tempo, in dem die Speisen auf den Tisch kommen, sehr gut gefallen. Ich fand es auch faszinierend, dass – wie bei meiner Oma – alles auf Holzfeuer gegart wird. Saisonale und regionale Zutaten, wunderbarer Geschmack, das Ambiente und das Engagement der Betreiber – um es kurz zu machen: Ich war geflasht! Über Linie w Ogniu gibt es deshalb in Kürze einen eigenen Beitrag.

Ewa Michalska serviert unvergleichlichen Salat. Foto: Sandra Fischer

Ewa Michalska serviert unvergleichlichen Salat. Foto: Sandra Fischer

Fleischbrühe wie bei Oma in der historischen Küche von Linie w Ogniu, Wielkopolska, Polen. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Fleischbrühe wie bei Oma in der historischen Küche von Linie w Ogniu.

#5: Historische Städte in Wielkopolska

Die lange Geschichte Großpolens lässt vermuten, dass hier auch Freunde historischer Städte auf ihre Kosten kommen. Und so ist es. Leider war meine Zeit in Wielkopolska zu knapp bemessen, um beispielsweise Gniezno oder Kalisz, die älteste Stadt Polens, zu besuchen. Und so habe ich einen Grund zurückzukommen.

Sieraków

An dieser Stelle komme ich auch auf Sieraków zurück, das Ziel meiner Radtour durch das Land der 100 Seen. Hier an der Warthe, direkt vor der Burg der Opalińskis, hat Napoleon seine letzte entscheidende Schlacht gegen die Russen verloren.

An dieser Brücke in Sieraków hat Napoleon gekämpft und verloren. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

An dieser Brücke in Sieraków hat Napoleon gegen die Russen gekämpft und verloren.

Die Stadt an einer alten Handelsstraße zwischen Poznań und Szczecin bietet neben dem Schloss-Museum einige weitere Sehenswürdigkeiten. Eine davon ist die Bernhardinerkirche aus dem 17. Jahrhundert. Der Bau im Stil der Spätrenaissance verfügt beispielsweise über ein imposantes Chorgestühl. Das Gotteshaus dient heute als Gemeindekirche und heißt Mariä Unbefleckte Empfängnis.

Ehemalige Bernhardinerkirche in Sieraków. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Ehemalige Bernhardinerkirche in Sieraków.

Poznań (Posen)

Die Altstadt von Poznań, der Hauptstadt der Woiwodschaft Wielkopolska, hat mich tief beeindruckt. Spannend waren hier nicht nur die Einblicke, die uns Stadtführerin Katarzyna Tymek gewährte. Hier wurde an vielen Plätzen Geschichte geschrieben, sei es beim monumentalen Kaiserschloss, auf dem Adam-Mickiewicz-Platz oder rund um den Freiheitsplatz.

Freiheitsplatz in Poznań. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Auf dem Freiheitsplatz in Poznań.

Beim Bummel über den Altmarkt, beim Stöbern unter den Arkaden der kleinen bunten Krämerhäuser und beim Löffeln einer Sauerteigsuppe auf der Terrasse des Traditionslokals „Bamberka“ habe ich mich in diese Stadt verliebt. Demnächst lesen Sie in einem eigenen Beitrag, wieso es im historischen Stadtkern von Poznań ein Denkmal der Bambergerin gibt, warum die regionale Küche auf Kartoffeln schwört und was es mit Ziegen und Martinshörnchen auf sich hat.

Altstadtmarkt von Poznań. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Altstadtmarkt von Poznań.

#6: Nachhaltige Unterkünfte

Das Bild Wielkopolskas als Reiseziel für Entspannung suchende Genießer, die sich gerne in der Natur bewegen, wird abgerundet von nachhaltigen Unterkünften auf dem Land. Ich war zu Gast im Ferienzentrum Olandia im Westen Wielkopolskas.

Das Ferienzentrum liegt in Prusim am Jezioro Kuchenne, dem Küchensee. Olandia war früher ein Gutshof. Die Zimmer sind mit wenigen Ausnahmen in ehemaligen Wirtschaftsgebäuden untergebracht, die sich um eine alte Windmühle gruppieren. Olandia hat einen eigenen Sandstrand, Boote, Lagerfeuerplätze, einen Wellnessbereich mit Sauna, Whirlpool und Massageangebot. Außerdem verfügt Olandia über ein Inhalationshaus, in dem Apitherapie angewandt wird. Hier geht es um die Nutzung von Bienenprodukten zu medizinischen Zwecken.

Windmühle im Ferienzentrum Olandia. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Die Windmühle fungiert als Treffpunkt im Herzen des Ferienzentrums Olandia.

Strand des Ferienzentrums Olandia, Wielkopolska. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Im Spa des Ferienzentrums Olandia. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Biergarten am Herrenhaus im Ferienzentrum Olandia, Wielkopolska. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Naturlehrpfad im Ferienzentrum Olandia. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Ferienzentrum Olandia, Wielkopolska. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag Hundestrand Ferienzentrum Olandia, Wielkopolska. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Gutes aus der Gutsküche von Olandia

Zu fantasievollen Kreationen aus der Küche im Herrenhaus – zum Begrüßungsmittagessen genieße ich als Beilage ein wunderbares Graupen-Risotto mit Waldpilzen – serviert man in Olandia Wein aus dem eigenen Weinkeller. Verkostung gefällig? Wir probieren Sekt aus Grünberg im Lebuser Land, einer beliebten Weinbauregion. Dort gibt es auch ein berühmtes Weinfest. Der Sekt ist übrigens kleinperlig und sehr gefällig.

Lachs und Gemüse aus der Küche des Ferienzentrums Olandia. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Lachs, Kartoffelpüree und Gemüse aus der Küche des Ferienzentrums Olandia.

Champignoncremesuppe aus der Küche im Herrenhaus Olandia, Wielkopolska. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Champignoncremesuppe aus der Küche im Herrenhaus.

Weinprobe im Keller von Olandia. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Alles vorbereitet für die Weinprobe im Keller von Olandia.

Ökologisch bedenkenlos Urlaub machen

Bei einem Rundgang über das Gelände erklärt Manager Damian Michalek, dass Olandia mehr als 80 Prozent des Stromverbrauchs der Anlage selbst produziert. Dies geschieht direkt vor Ort aus erneuerbaren Energiequellen, beispielsweise über Solarzellen und drei Windturbinen. Außerdem entstanden ein Carport mit Ladestellen für Elektroautos und ein Biomassekessel. Die Idee war, in Olandia ein lokales Zentrum für Ökologie und gesunden Lebensstil zu etablieren.

Nachhaltige Stromgewinnung im Ferienzentrum Olandia, Wielkopolska. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Nachhaltige Stromgewinnung im Ferienzentrum Olandia, Wielkopolska.

So macht man im Ferienzentrum Olandia mitten in der Natur und im Einklang mit der Natur Urlaub. Ob das gute Gewissen dafür verantwortlich war, dass ich so gut geschlafen habe? Vielleicht waren es auch einfach gute Betten.

Zimmer im Ferienzentrum Olandia. Foto: Beate Ziehres, Reiselust-Mag

Zimmer im Ferienzentrum Olandia.

Jedenfalls neigt sich die Zeit in Wielkopolska zu schnell dem Ende zu. Reiseleiter Konrad versucht, mir den Abschied mit fruchtiger Beerenmarmelade und Quittenlikör zu versüßen. Immerhin helfen mir die Köstlichkeiten aus Polen, die gute Erinnerung wachzuhalten.

Die Erkundungstour durch Wielkopolska war eine Pressereise und wurde organisiert vom polnischen Fremdenverkehrsamt in Berlin und der Tourismusorganisation Wielkopolska. Lieben Dank für die Vorbereitung und Begleitung an Konrad Guldon und Jacek Cieslewicz.

Alle Fotos, sofern nicht anders vermerkt: Beate Ziehres

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Deutschland, Frankreich, Schweiz, Tunesien – Reisen in 2020 https://www.reiselust-mag.de/reisen-2020/ https://www.reiselust-mag.de/reisen-2020/#comments Wed, 06 Jan 2021 19:32:53 +0000 https://www.reiselust-mag.de/?p=4834 Ein Rückblick auf ein gar nicht so außergewöhnliches Reisejahr: 2020 haben wir die Schönheit Deutschlands und europäischer Nachbarländer entdeckt. Und den Norden Tunesiens.

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Ein paar Stunden am Feuer mit einer Tasse heißem Tee und dabei in Gedanken an die Reisen im vergangenen Jahr schwelgen – dieses Vergnügen gönne ich mir auch im Jahr 2020. Nicht dass ich mich langweilen würde, nein. Es wäre genug zu tun. Aber der Reiserückblick ist ein alljährliches Ritual geworden. Und so übel war das Reisejahr nicht – Corona hin oder her. Meine Sammlung von Reisefotos kann etliche Neuzugänge verzeichnen.

Tunesien

Im Februar, als das Corona-Virus gefühlt nur die Chinesen bedroht, steht meine erste Reise im Jahr 2020 auf dem Programm. Es geht in den Norden von Tunesien. Bei der Einreise in Tunis bildet sich zu meiner Verwunderung eine Schlange.

Nicht nur wird hier die Körpertemperatur jedes ankommenden Passagiers gemessen. Zusätzlich sind einige ungewohnte Formalitäten zu erledigen: Das Woher und Wohin wird ebenso abgefragt wie die Sitznummer im Flugzeug. Ich ahne nicht, dass dies ein Vorgeschmack auf den weiteren Verlauf des Jahres ist.

Tabarka

Nach der in meiner Erinnerung letzten „normalen“ Pressekonferenz des Jahres 2020 – einem Gespräch im Tourismusministerium in Tunis – starten wir nach Tabarka. Die Stadt liegt im Nordwesten Tunesiens am Mittelmeer in der Nähe der algerischen Grenze.

Hier werden die goldfarbenen Strände umrahmt von Felsspitzen, Pinien und Korkeichenwäldern. In den Tiefen des Meeres vor Tabarka schlummern einzigartige Schätze: rote Korallen.

Einer meiner Lieblingsplätze zum Fotografieren ist der Hafen von Tabarka. Von hier aus fahren die Fischer und die Korallentaucher aufs Mittelmeer hinaus, um ihrem Tagewerk nachzugehen.

Hafen von Tabarka, Tunesien. Foto: Beate Ziehres / Reiselust-Mag

Hafen von Tabarka, Tunesien.

Niedersachsen

Von Nordafrika geht es zurück ins heimische Niedersachsen. Noch in Tabarka hat mich die Kunde vom Corona-Ausbruch in Italien erreicht. Doch von Reisen in Niedersachsen kann mich nicht einmal ein harter Lockdown abhalten. Im eigenen Land komme ich schon beruflich viel herum.

Meiner Tätigkeit als Bloggerin für den Tourismusverband Braunschweigerland verdanke ich einige meiner Lieblingsbilder aus diesem Jahr. Ein Highlight aus fotografischer Sicht war ein nachmittäglicher Stadtrundgang durch Braunschweig. Der Altstadtmarkt im Abendlicht gegen die tiefstehende Sonne ist mein Favorit.

Altstadtmarkt in Braunschweig. Foto: Beate Ziehres / Reiselust-Mag

Altstadtmarkt in Braunschweig.

Brandenburg

Auch in Brandenburg habe ich im Corona-Jahr einige Zeit verbracht. So führt unsere erste Reise nach den Lockerungen im Mai nach Frankfurt an der Oder und ins Schlaubetal. Radfahren ist angesagt. Auch in Potsdam bin ich in 2020 einige Male zu Besuch.

Frankfurt an der Oder

Während eines Familienausflugs mit den Drahteseln von Frankfurt nach Lebus entdecken wir bemerkenswerte Dinge: eine von russischen Kriegsgefangenen in sibirischer Bauweise errichtete Holzkirche, das Städtchen Lebus und das Naturschutzgebiet Oderberge.

An den Hängen der Oderberge soll es laut meinem Schwager Siggi – der hier zuhause ist – große Vorkommen des Adonisröschens geben. Doch im Mai suchen wir vergebens nach einem verspätet blühenden Exemplar. Das ist schade. Die surrealistisch anmutenden alten Weidenbäume entlang des Oder-Neiße-Radweges erfreuen den Radler glücklicherweise ganzjährig.

Familienausflug auf dem Oderradweg zwischen Lebus und Frankfurt. Foto: Beate Ziehres / Reiselust-Mag

Familienausflug auf dem Oderradweg zwischen Lebus und Frankfurt.

Potsdam

Tiefster Lockdown in Potsdam ist kein bisschen langweilig, wenn beispielsweise der Pfingstberg und der Neue Garten mit all ihren Sehenswürdigkeiten vor der Haustür liegen. In dieser Prachtlage wohnt seit einiger Zeit meine Tochter. Die bekanntesten und beliebtesten Anlaufpunkte sind hier das Belvedere auf dem Pfingstberg, das Schloss Cecilienhof und das Marmorpalais. Weniger bekannt, aber genauso schön anzusehen ist – in meinen Augen – die Alexander-Newski-Gedächtniskirche auf dem Pfingstberg.

Alexander-Newski-Gedächtniskirche auf dem Pfingstberg in Potsdam. Foto: Beate Ziehres / Reiselust-Mag

Alexander-Newski-Gedächtniskirche auf dem Pfingstberg in Potsdam.

Übrigens habe ich den März in Potsdam auch kulinarisch in bester Erinnerung behalten. Meine Tochter zauberte ein Pesto aus frisch gesammeltem Berliner Bärlauch mit Walnüssen – ein Hochgenuss!

Frankreich

Den Sommer wollen wir eigentlich in Deutschland verbringen. Um den Schwarzwald mit dem Motorrad unsicher zu machen steuern wir Lörrach an. Doch so unterhaltsam die kurvigen Straßen, urigen Täler, frischen Seen und die zahlreichen Wasserfälle des Schwarzwalds auch sind – nach einigen Tagen lockt die Welt jenseits des Rheins. Das Dreiländereck verführt geradezu zu Abstechern nach Frankreich und in die Schweiz.

Unser erstes Ziel im Ausland ist das französisch-schweizerische Gebirgsmassiv des Jura. Durch einsame Wälder und menschenleere Gegenden erreichen wir den Fluss Doubs. Von hier aus ist es nicht mehr weit nach Saint-Hippolyte. Vor dem hübschen, irgendwie typisch französischen Rathaus stellen wir die Mopeds ab. Und wie der Zufall es will gibt es an dieser Stelle eine Bar. Wir gönnen uns hausgemachte Aprikosen-Tarte mit Mandeln und einen „Petit Noir“ und fühlen uns wie Gott in Frankreich.

Pause in Saint-Hippolyte, Doubs, Frankreich. Foto: Beate Ziehres / Reiselust-Mag

Pause in Saint-Hippolyte, Doubs, Frankreich.

Eguisheim im Elsass

Das Jura und das Gefühl, wieder einmal in Frankreich zu sein, haben uns richtig gut gefallen. Deshalb machen wir gleich noch einen  Ausflug ins Elsass. Ich habe das mittelalterliche Fachwerk-Städtchen Eguisheim ausgesucht. Wie die Häute einer Zwiebel umschließen hier die vielen kleinen Gassen den alten Ortskern. Im Zentrum liegt auf einem Hügel die Burg Eguisheim. Angeblich ist hier Bruno von Egisheim-Dagsburg geboren, der im Jahr 1049 Papst Leo IX wurde.

Im Herzen der Altstadt angekommen kaufen wir ein paar Pasteten und Rotwein für das Abendbrot. Auf dem Weg zurück entpuppt sich das Gassen-Gewirr mit den pittoresken Häuschen schließlich als Labyrinth: Bei gefühlten 40 Grad im Schatten  finden wir die Motorräder nicht mehr! Das ist mir noch nie passiert. Ehrlich!

Eguisheim im Elsass, Frankreich. Foto: Beate Ziehres / Reiselust-Mag

Eguisheim im Elsass, Frankreich.

Na ja, nach einem längeren Fußmarsch und unter Zuhilfenahme der Sonne als Navigationsinstrument haben wir die Mopeds doch wieder gefunden. Und danach sogar den Weg zu einer der vielen Burgen, die über Eguisheim thronen. Die Aussicht von dort oben über die Rheinebene bis zum Schwarzwald belohnt alle Mühen.

Schweiz

Weil ich gerade von Aussicht spreche: Schon vor der Abfahrt in den Urlaub hat mein Schatz auf der Landkarte Beatenberg entdeckt und entschieden: Da müssen wir hin. Schließlich gibt es nicht viele Orte auf der Welt, die nach mir benannt sind ;-). Beatenberg liegt in der Schweiz auf 1200 Metern Höhe und verspricht eine tolle Aussicht auf Eiger, Mönch, Jungfrau und den Thunersee. Deshalb sind wir nun auf dem Weg ins Berner Oberland.

Thunersee

Der Weg nach Beatenberg war ganz schön weit. Und wir haben es nicht bis zum Ort selbst geschafft, sondern nur zur Beatenbucht am Thunersee. Vom Ufer des Thunersees konnten wir uns einfach nicht losreißen. Das Wasser des Sees ist unwirklich hellblau, sagenhaft klar, aber auch unglaublich kalt.

Da sich mein Schatz von kaltem Wasser nicht abschrecken lässt, steigt er gleich zweimal in diese eisige Flut. Dabei bemerkt er allerdings eine rätselhafte Strömung. Später berichtet uns ein Taucher, dass in Ufernähe eine Felswand bis zu 200 Meter senkrecht nach unten abfällt bis zum Grund des Sees. Das mag ein Paradies für Steilwand-Taucher sein, aber nichts für mich. Da vertreibe ich mir lieber die Zeit mit Fotografieren.

Motorradtour zum Thunersee in der Schweiz. Foto: Beate Ziehres / Reiselust-Mag

Motorradtour zum Thunersee in der Schweiz.

Rheinfall von Schaffhausen

Durch Zufall landen wir am nächsten Tag schon wieder in der Schweiz: am Rheinfall von Schaffhausen. Eigentlich hatte uns an diesem heißen Sonntagnachmittag ein Besuch im Schwimmbad vorgeschwebt. Aber: Ohne online vorgebuchten und bezahlten Slot war das in diesem Jahr ein aussichtsloses Unterfangen.

Wir also bei über 30 Grad wieder in die Motorradklamotten und diesmal auf in Richtung Osten. Ich habe mich immer gefragt, ob der Rheinfall vielleicht ein Reinfall ist. Aber ich muss sagen: Nein! Die tosenden türkisfarbenen Wassermassen, die in Schaffhausen über die und zwischen den Felsen nach unten stürzen, sind wirklich einen Besuch wert. Nicht ganz vergleichbar mit den Niagara-Fällen, aber doch beachtlich.

Rheinfall von Schaffhausen. Foto: Beate Ziehres / Reiselust-Mag

Rheinfall von Schaffhausen.

Ich bin jedenfalls beeindruckt von diesem feuchten Spektakel und muss noch einmal kommen. Denn wir haben gleich Bekanntschaft mit der schweizerischen Pünktlichkeit gemacht. Bis wir zu Lande ausführlich alle Facetten des Rheinfalls bestaunt hatten und eine Bootsfahrt machen wollten, um noch mehr zu sehen, war es 18 Uhr. Die Schiffe lagen alle am Steg, die Kapitäne saßen beim Abendbrot und die Matrosen genossen den wohlverdienten Feierabend …

Rheinland-Pfalz

Nach den ereignisreichen Tagen im äußersten Südwesten Deutschlands geht es für uns noch nicht nach Hause, sondern in die Eifel. Hier war ich auch ewig nicht und anscheinend noch nie so richtig. So entdecken wir hier im Corona-Sommer noch mehr Wasserfälle, Burgen, Schlösser und Wunderbares.

Teufelsschlucht

Unter die Rubrik „Wunder der Natur“ fällt die Teufelsschlucht in der Südeifel. Die Teufelsschlucht ist eine bizarre Landschaft mit steilen Felswänden, tiefen Spalten und engen Schluchten. Sie entstand infolge einer Serie von Felsstürzen am Ende der jüngsten Eiszeit. Die idyllischen Irreler Wasserfälle sind ebenfalls in diesem Gebiet zu finden und genauso entstanden.

Teufelsschlucht in der Eifel. Foto: Beate Ziehres / Reiselust-Mag

Teufelsschlucht in der Eifel.

Saarburg

Ein Wasserfall mitten im Stadtzentrum – welche Stadt hat eine solche Attraktion schon zu bieten? Ich kannte bis zum Sommer 2020 keine. Doch dann regte die Nichte meines Mannes genau eine Woche nach der ausgefallenen Bootsfahrt beim Rheinfall eine Schifffahrt in Saarburg an.

Zwar fährt der Ausflugsdampfer in Saarburg nicht vor die herunterstürzenden Wassermassen. Hier handelt es sich um zwei unterschiedliche Ereignisse: eine Schifffahrt auf der Saar, vorbei an Weinbergen, und einen Wasserfall im Herzen Saarburgs, den man sich ausschließlich zu Fuß erschließt.

Saarburg: Wasserfall im Ortskern. Foto: Beate Ziehres / Reiselust-Mag

Saarburg: Wasserfall im Ortskern.

Um den von Cafés, Pizzerien und Schalläden gesäumten Wasserfall ist Saarburg zu beneiden. Hier hätte ich mich gerne länger aufgehalten, aber in Saarburg sind an diesem Sonntagnachmittag gefühlt noch mehr Menschen unterwegs als die Woche zuvor am Rheinfall von Schaffhausen. Hinzu kommt: Die Nichte hat eine Tiramisu-Torte gebacken. Dafür lohnt sich die Weiterfahrt ins Saarland allemal! Ein weiteres kulinarisches Highlight des Jahres.

Berchtesgadener Land

Bevor ich im Oktober das Berchtesgadener Land entdeckte, waren wir noch zu einem Familien-Wochenendtrip in Tangermünde . Der Ausflug nach Sachsen-Anhalt mit einer Übernachtung in den Exempel Schlafstuben war das Ostergeschenk für meine Lieben.   Nach all den Kontaktbeschränkungen und Restaurantschließungen im Frühjahr wollten wir es uns einmal richtig gut gehen lassen. Das ist gelungen.

Aber ich komme nun langsam in Zeitnot. Denn mit diesem Beitrag will ich mich an Michaels traditioneller Fotoparade zum Jahresende auf Erkunde-die-Welt.de beteiligen. Weil sich der Einsendeschluss schnell nähert, muss ich mich etwas sputen. Und der Bericht über den Fotoworkshop im Berchtesgadener Land fällt notgedrungen kürzer aus.

Soviel: Unsere kleine Gruppe hatte riesiges Glück. Wenige Tage nach unserem Besuch mussten alle Gäste nach Hause und das Berchtesgadener Land wurde als erste Region Deutschlands in den zweiten Lockdown geschickt. Umso unvergesslicher war für mich die Zeit zwischen Almbachklamm und Wimbachklamm, berauschend die Exkursionen zu Hintersee und Obersee, traumhaft schön die Momente zwischen Watzmann und Jenner.

Aus dem Berchtesgadener Land habe ich so viele Bilder mitgebracht, dass es für mindestens fünf Blogposts reicht. Leider hat die Zeit bisher nicht mal für einen einzigen gereicht und auch nicht, um das Bildmaterial genüsslich zu bearbeiten.

Deshalb schließe ich jetzt mit

  • einer Impression vom legendären Bootshaus am Obersee im Regen und
  • einem morgendlichen Eindruck vom Königssee in Schönau.

Und dem großen Versprechen, dass irgendwann mehr kommt aus dem Berchtesgadener Land.

Morgenstimmung am Königssee in Schönau. Foto: Beate Ziehres / Reiselust-Mag

Morgenstimmung am Königssee in Schönau.

Instagramable Bootshaus am Obersee im Berchtesgadener Land. Foto: Beate Ziehres / Reiselust-Mag

Instagramable Bootshaus am Obersee im Berchtesgadener Land.

Alle Fotos: Beate Ziehres

Der Beitrag Deutschland, Frankreich, Schweiz, Tunesien – Reisen in 2020 erschien zuerst auf Reiselust-Mag.

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